Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
neueste Wagentyp auch stets der schwerste, stärkste und schnellste sein muss, wird sich in Zeiten des Klimawandels und schrumpfender Ölreserven noch viele raffinierte Lügen einfallen lassen müssen.
9. Melkkühe der Nation? Natürlich die Autofahrer!
Schon seit vielen Jahren verbreitet der ADAC die Ansicht, dass jeder Autofahrer mit seinen Steuern mehr in den Staat »einzahle«, als er von dort in Form von Straßen und so weiter zurückbekomme. Eine vom ADAC finanzierte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) kam Anfang 2010 zu dem Ergebnis, für jeden Euro an Infrastrukturkosten, den die Autofahrer verursachten, flössen 4,20 Euro an Abgaben an den Staat zurück. 20
Das DIW hatte in seiner Rechnung aber die sogenannten externen Kosten des Autoverkehrs nicht berücksichtigt: etwa Umwelt- und Klimafolgen des Autoverkehrs, Staukosten, die Folgekosten von Unfällen und Lärmbelastung. Das stellte der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fest; das gab aber auch das DIW selber zu, mit der Begründung, der externe Nutzen des Autoverkehrs (also der Effekt, dass Menschen und Güter per Auto oder Lkw mehr oder weniger schnell den Ort wechseln) werde ja auch nicht berücksichtigt. Da ist zwar etwas dran, und beides, externe Kosten wie externer Nutzen, sind Größen, die man schwer abgrenzen und kaum vollständig erfassen kann. Aber zumindest, was das Verhältnis zwischen Autofahrer und Staat betrifft, müssen in einer seriösen Rechnung Schäden, die direkt auf den Autoverkehr zurückgehen und die vom Staat getragen werden, natürlich auftauchen.
10. Die Lebensverlängerer
Private Lebens- und Rentenversicherungen haben es schwer. Da ihre Klientel eher besser betucht ist, und da Gutverdiener
im Durchschnitt länger leben als der Rest der Bevölkerung, können sie nicht die amtlichen Sterbetafeln für ihre Kalkulationen benutzen, sondern müssen eigene Sterbetafeln entwickeln.
Was das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus im Oktober 2008 dazu ermittelt hat, mutet allerdings sonderbar an. Die damaligen Sterbetafeln des Statistischen Bundesamts ergaben für einen 35-jährigen Mann ein durchschnittliches Sterbealter von 82 Jahren. Die privaten Rentenversicherer kommen auf 92 Jahre. Die Folge in einem durchgerechneten Modellfall: Die eingezahlten Beiträge reichen nur für 205 Euro Rente pro Monat, statt 270 Euro bei der Lebenserwartung der Normalbürger. Umgekehrt bei Risiko-Lebensversicherungen: Hier verkürzen die Versicherungen in ihren Sterbetafeln die Lebenserwartung (die des 35-jährigen Mannes zum Beispiel auf 73 Jahre) mit der Folge, dass der Versicherte eine höhere Prämie zahlen muss. Wir haben die Fakten von Plusminus nicht im Einzelnen nachgeprüft, wissen aber aus der Praxis, dass die Richtung des Beitrags stimmt. Lebenserwartungen werden also je nach Bedarf groß oder klein gerechnet.
Der Kölner Demograf Eckart Bomsdorf drängelte sich im Juni 2010 mit der Prognose in die Öffentlichkeit: »Jedes vierte Mädchen, das heute geboren wird, wird 100 Jahre alt.« 21 In Wirklichkeit kann niemand wissen, wie alt ein neugeborenes Kind werden wird. Wie alt Menschen werden, weiß man immer erst dann, wenn sie gestorben sind. Solche Prognosen beruhen auf den Daten von gerade Gestorben; also von Leuten, die meist 70, 80 oder 90 Jahre alt sind und um 1940, 1930 oder 1920 geboren wurden. Bomsdorf gab gegenüber der Presse deswegen zu, dass niemand mit hundertprozentiger Sicherheit sagen könne, ob Neugeborene wirklich so alt würden.
Seriös wäre gewesen zuzugeben, dass das auch niemand mit siebzigprozentiger Sicherheit voraussagen kann, da wir nun einmal nicht wissen, was besagtes neugeborenes Mädchen in seinem Leben erleben wird. Bomsdorfs wackelige Hochrechnungen unterstellen ein anhaltend starkes Wachstum der Lebenserwartung und übersehen, dass diese Entwicklung schon heute an diverse Grenzen stößt:
Es gibt keine wesentlichen Verbesserungen der Ernährung mehr, stattdessen sogar Verschlechterungen;
Bewegungsarmut und Übergewicht, gepaart mit Diabetes und Herzkreislaufproblemen;
problematische Umwelteinflüsse;
Mehrfacherkrankungen (Multimorbidität) im Alter;
Stagnation oder sogar Verlust sozialer Standards in vielen Bevölkerungsgruppen . 22
Doch um solche Details des wirklichen Lebens ging es Bomsdorf vielleicht gar nicht so sehr. »Diese Zahlen verdeutlichen, dass die höhere Lebenserwartung zu einer großen Belastung der Sozialsysteme führen wird (…), Beitragserhöhungen sind
Weitere Kostenlose Bücher