Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
Entwicklung im Gesundheitswesen«
hatte im Rahmen einer Langzeitprognose (siehe dazu das Kapitel »Die Magie der Prognose«) für Brandenburg im Jahr 2050 einen Altenquotienten von 90 angenommen. Das bedeutet: Auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter kommen 90 Senioren. Selbst unter der unrealistischen Annahme, dass es 2050 in Brandenburg kein einziges Kind mehr gibt, wäre der Anteil der Senioren an der Bevölkerung dann 90 von 190, also 47 Prozent. Das wäre nicht schön, aber ewig weit von den behaupteten 90 Prozent entfernt!
In den uns vorliegenden Artikeln waren jeweils »Fachleute« der Redaktionen für die Meldung verantwortlich. Aber selbst, wenn sie die Meldung von irgendjemandem abgeschrieben haben, was können wir denen in Zukunft noch glauben? Dass sie geistige Opfer ihrer eigenen Negativberichterstattung sind, gerne. Und dass sie kein Gefühl für Zahlen und Größenverhältnisse haben, da sind wir uns sicher.
7. Der geschönte Cholesterinsenker
Mitte der 1990er-Jahre steuerte in den USA die Angst vor den Wirkungen der Fettleibigkeit auf ihren Höhepunkt zu. Der Cholesterinwert galt als die größte Gefahr. Und da es leichter ist, Tabletten zu schlucken, als Ernährungsgewohnheiten zu ändern, hatte die Pharmaindustrie eine neue Marktlücke – natürlich nur zum Wohl der Menschen. Cholesterinsenker wurden verbessert, getestet und werbewirksam auf den Markt gebracht. Mit einer Grafik warben die Hersteller für Cholesterinsenker, die mit dem Cholesterinspiegel auch das Herzinfarktrisiko absenken sollen:
Werbung für Cholesterinsenker aus den 1990er-Jahren (vereinfacht nachgebildet)
Das war angeblich das eindeutige Ergebnis von 22 unabhängigen Studien. Wer sollte da noch misstrauisch sein? Das Geschäft lief.
Hagen Kühn, ein befreundeter Berliner Gesundheitswissenschaftler, war der Mann, der misstrauisch blieb.
Er besorgte sich die 22 Studien und schaute genauer hin.
Ja, die oben dargestellte Kurve konnte man tatsächlich aus den Daten ableiten. Aber sie verschwieg zwei wichtige Teile der Wahrheit:
a) Der Zusammenhang zwischen Cholesterin und Herzinfarkt lässt sich auch für kleinere Cholesterinwerte darstellen; aber da sieht die Sache ganz anders aus: Werden niedrige Cholesterinwerte durch Cholesterinsenker noch weiter abgesenkt, steigt die Herzinfarktgefahr wieder. Vollständig hat die Kurve eher die Gestalt eines U:
Die vollständige Kurve: Auch niedrige Cholesterinwerte bilden eine Gefahr.
b) Im Vergleich zwischen Versuchs- und Kontrollgruppe – die einen hatten Cholesterinsenker, die anderen Placebos eingenommen – ergab sich zwar, dass die Patienten mit Cholesterinsenker weniger oft an Herzinfarkt starben. Doch insgesamt starben sie sogar öfter als die Mitglieder der Kontrollgruppe – etwa durch Selbstmorde oder Autounfälle.
Zur Förderung des Absatzes hatte man also wesentliche Informationen verschwiegen, die in manchen Fällen tödlich gewesen sein können. Hier waren eindeutig eigennützige Lügner am Werk.
8. Der frisierte Kraftstoffverbrauch
Deutsche Autohersteller haben Schwierigkeiten mit der EU-Vorgabe, dass Neuwagen im Schnitt nur noch 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen sollen. Und Schwierigkeiten mit Kunden, die beim Kauf auf den Kraftstoffverbrauch achten. Doch es hilft ihnen ein seit 1996 in der EU übliches Testverfahren, das den Kraftstoffverbrauch eines Autos durch unrealistische technische Bedingungen nach unten drückt: Die Motoren laufen auf dem Prüfstand bei idealen Temperaturen, bei ausgeschalteten Stromverbrauchern und bei gleichmäßiger Geschwindigkeit. Als Gewicht des Autos gilt stets das kleinstmögliche ohne jegliche Extras. Unter solchen Bedingungen verbraucht ein VW Tiguan mit 1,4-TSI-Motor nur 8,3 Liter Super pro 100 Kilometer. Automarktexperte Ferdinand Dudenhöffer und die Ökowissenschaftlerin Eva Maria John vom Ökoglobe-Institut (Duisburg/Essen) schickten das gleiche Auto unter realistischen Bedingungen, die eine wirkliche Fahrt simulieren, auf den Prüfstand und ermittelten so einen Verbrauch von 13,4 Litern, also fast 60 Prozent mehr als von VW angegeben. Im Durchschnitt der Autotypen lag der Mehrverbrauch bei 27 Prozent über der Herstellerangabe. 19
Das Spielchen, mit dem die Firma Porsche es schaffen will, dass einer ihrer fetten Schein-Geländewagen in eine »klimafreundlichere« Klasse eingestuft wird als der Kleinwagen Smart, haben wir auf Seite 169f. dargelegt. Wer von dem Dogma nicht lassen kann, dass der jeweils
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