Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
geringen Löhnen zustehen.
Sie erzeugen künstlich riesige Geldsummen, indem sie monatliche Leistungen über Jahrzehnte hinweg aufaddieren, auch wenn der Rechnung überhaupt keine realistische Modellbiografie zugrunde liegt.
Sie greifen eine Modell-Kostenrechnung, die sich auf ein fiktives Kind einer allein erziehenden Mutter bezieht, das in einem fünfzigjährigen Leben in jeder Beziehung gescheitert ist, aus dem Zusammenhang und behaupten: So viel kostet eine »normale« allein erziehende Mutter den Steuerzahler.
Diese Fälschungen haben nach unserer Einschätzung den Zweck, Menschen ins Unrecht zu setzen, die das Prinzip der Solidarität in der Gesellschaft verteidigen, soziale Spannungen zwischen unterschiedlichen benachteiligten Gruppen zu verschärfen und vom rasant wachsenden Reichtum einer kleinen gesellschaftlichen Elite abzulenken. Deshalb stufen wir sie als bösartige und eigennützige Lügen ein.
Kapitel 15
Resigniert wird nicht
Wenn Sie bis zu dieser Stelle vorgedrungen sind, haben Sie schon so viel Lug und Trug kennengelernt, dass Sie vielleicht resigniert sagen möchten: »Traue keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast!« Diese schwarze Sicht teilen wir nicht, und wir möchten auch Sie davor warnen. Aus zwei Gründen: Sie kommen um Statistiken nicht herum, wenn Sie vernünftige Entscheidungen treffen wollen. Zugleich kennen wir viele Fälle, in denen die Nutzer einer Statistik den Betrug rechtzeitig aufdecken, manchen Euro retten und Unheil abwenden konnten. Vier Beispiele für ebenso nützliche wie unvermeidliche Statistiken:
Fast jede größere Investitionsentscheidung eines Unternehmens beruht auf Statistiken. Zum Beispiel in der Werbung: Ohne Statistiken über Einschalt- oder Leserquoten bestimmter Sendungen, Zeitschriften, Internetauftritte in bestimmten Zielgruppen können Sie die Wirkung von Werbemaßnahmen nicht vernünftig abschätzen.
Die Textilindustrie untersucht etwa alle 20 Jahre die Körpergrößen in der Bevölkerung statistisch, damit Kleidungsstücke und deren Nutzer so einigermaßen gut zusammenpassen.
Fast alle Studierenden möchten nach einer Klausur eine Statistik der Klausurergebnisse sehen, um sich selbst besser einschätzen zu können.
Vor einer Bewerbung ist es ratsam, eine Gehaltsstatistik zu studieren, um ein realistisches und dennoch ergiebiges Wunschgehalt angeben zu können.
Wenn Sie vor wichtigen Entscheidungen die folgenden fünfzehn Regeln berücksichtigen, werden Sie auch zu den Gewinnern zählen. Nicht immer, aber immer öfter! 1
Checkliste: So prüfen Sie Statistiken
Ruhe bewahren und nichts überstürzen.
Daten aus ähnlichen Situationen besorgen und vergleichen.
Details zu den Daten anfordern.
Prüfen: Ist die vorgelegte Zahl überhaupt ermittelbar?
Prüfen: Wie sicher kann eine Prognose sein?
Überschlagsrechnung durchführen (Beispiel Rosenmontagszug).
Prüfen: Was genau wurde untersucht oder belegt?
Doppelte Vorsicht bei besonders großen Geschäften!
Prüfen: Ist die Quelle seriös?
Grafiken prüfen: Thema, Achsen, optische Effekte, Flächen, 3D-Effekte, Sehhilfen.
Die Daten hinter den Grafiken anfordern und prüfen.
Querdenken statt stromlinienförmig.
Trauen Sie sich, selber nachzurechnen!
Am Ende Mut zur Entscheidung haben.
Die fünf größten Fehler vermeiden.
1. Ruhe bewahren und nichts überstürzen
Wichtige Entscheidungen sind oft teuer oder können schwerwiegende Folgen haben. Da können zwei Tage Recherche eine sehr lohnende Investition sein. Wenn es um Millionensummen geht, kann es sich auch lohnen, 5000 Euro für einen versierten Statistiker zu investieren, der die vorgelegten Statistiken auf Plausibilität hin prüft. Das gilt erst recht, wenn Ihnen Daten in Form von Grafiken vorgelegt werden. Wie leicht man mit Grafiken täuschen kann, haben Sie im Kapitel »Ein Bild lügt schneller als tausend Zahlen« erfahren. Die Regeln 10 und 11 dieser Checkliste befassen sich ausdrücklich mit der Überprüfung von Grafiken.
2. Daten aus ähnlichen Situationen besorgen und vergleichen
Selten ist eine Situation unvergleichbar. Suchen Sie also nach vergleichbaren Situationen und schauen Sie sich dort die Daten an. Das können ähnliche Betriebe oder Branchen, Werte aus anderen Jahren, aus Nachbarländern oder Nachbarkommunen sein. Beim Eisengehalt des Spinats (siehe Seite 241) wären das die Eisengehalte anderer Gemüsesorten gewesen.
Wenn die Vergleichsdaten nicht in die gleiche Richtung wie die zu beurteilenden Daten gehen, lassen Sie
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