Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
Vom Netzwerk:
Parkett gebärdet sie sich schon seit Jahren wie ein richtiger Konzern. Wenn es aber darum geht, ihre Aktien an der Börse zu veräußern, wie es die Bundesregierung seit 2007 vorhat, dann tut der Bahnvorstand plötzlich Dinge, für die andere Manager sofort entlassen werden müssten: Sie rechnet den Realwert ihrer gesamten Anlagen und Immobilien, den einige Experten auf 100 bis 180 Milliarden Euro einschätzen, auf rund ein Zehntel dieser Summe klein. 26
    An dieser Stelle vermuten wir eine bösartig-destruktive Einstellung der verantwortlichen Minister gegenüber dem ihnen anvertrauten Volksvermögen, zum Wohl der zukünftigen Aktionäre; vielleicht gepaart mit einer guten Portion Dummheit, die mit Dogmen wie dem der Privatisierungspolitik einherzugehen pflegt.

13. Politische Zahlen
    Als ich beim Statistischen Bundesamt tätig war, hatte ich auch einmal die damalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth
am Apparat. Sie wünschte sich von uns »Zahlen für die Ausbildung von Mädchen in traditionellen Männerberufen«. Ich fragte zurück: »Meinen Sie vielleicht Zahlen über die Ausbildung von Mädchen in solchen Berufen?« Nein, sagte sie, hörbar lächelnd; sie wollte auf jeden Fall Zahlen für die Ausbildung von Mädchen, also Zahlen, die sie bei Firmenbesuchen einsetzen konnte, um für die Einstellung von Mädchen als Auszubildende zu werben. Das Charmante an dieser Begegnung mit unserem Fall »Schummeln für eine gute Sache« war die durchaus selbstkritische Offenheit, mit der das geschah. Frau Süssmuth wusste, dass sie der »Wahrheit« auf die Sprünge half, Zahlen aus dem Zusammenhang riss und instrumentalisierte, um ihr politisches Ziel, eine stärkere qualifizierte Berufstätigkeit von Frauen, zu unterstützen – und sie stand dazu.
    Einen ähnlichen, allerdings weniger charmanten Fall haben wir auf Seite 78 erwähnt: Es ging um jenen Experten vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, der zugab, die angemessene Grafik zum Anteil der Jugendlichen an der Gesamtbevölkerung deshalb nicht verwendet zu haben, weil dessen Rückgang nicht dramatisch genug wirke. Wobei wir hier keine gute Sache erkennen können, die eine Schummelei vielleicht rechtfertigen könnte.
    In diese Reihe gehört auch der auf Seite 17 erwähnte Ministerpräsident »Yang«, der »vergessen« hatte, von seinen 2200 neu eingestellten Lehrern die im gleichen Zeitraum ausgeschiedenen Lehrer abzuziehen (wobei eine negative Zahl entstanden wäre). Oder jener Kölner CDU-Politiker, der um 1992 unbedingt Angst vor Asylbewerbern schüren wollte und zu diesem Zweck aus einer bundesweiten Asylbewerbertabelle ausgerechnet die Nationalitäten herausgriff, die besonders stark zugenommen hatten. Als ich ihn in der Diskussion darauf
hinwies, dass die Gesamtzahl der Asylbewerber in Wirklichkeit zurückgegangen war und dass ich ihm gerne die entsprechenden Zahlen überlassen könne, sagte er nur: »Nein danke, ich habe hier schon die Zahlen, die ich brauche.«

14. Die Reichrechner
    Es war einmal ein bitter armes Land. Alle Menschen lebten in schrecklicher Not, und am schlimmsten hatte es die Reichen des Landes getroffen. Eine Gruppe aber gab es in dem Land, die lebte in Saus und Braus: Das waren die Armen. Für Arbeitslose, Hartz-IV-Empfänger und allein erziehende Mütter war jenes Land das reinste Schlaraffenland. Die lagen den ganzen Tag auf der faulen Haut und ließen sich die gebratenen Tauben ins Maul stopfen …
    Dieses Märchen wird uns in Deutschland, Österreich, der Schweiz, aber auch in Großbritannien und den USA immer wieder gerne erzählt. Vier der Märchenonkel haben wir Ihnen im Kapitel »Die bösen Armen« vorgestellt: Roland Koch (CDU), Guido Westerwelle (FDP) sowie Rainer Hank und Georg Meck von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Wenn sie mit Zahlen »belegen« wollen, dass Hartz-IV-Empfänger mehr Geld im Portemonnaie hätten als »normale« Arbeiter und Angestellte, greifen sie zu allerlei Tricks:
Sie unterschlagen die Tatsache, dass man einen höheren Lohnabstand zwischen Hartz-IV-Leistungen und unteren Lohngruppen auch durch Lohnerhöhungen oder durch Mindestlöhne herstellen könnte.
Sie vertauschen Ursache und Wirkung, wenn sie suggerieren, die Hartz-IV-Sätze seien über das Niveau der unteren
Lohngruppen gestiegen. In Wirklichkeit war es umgekehrt: Viele Niedriglöhne sind unter das fast stagnierende Hartz-IV-Niveau gesunken.
Sie verschweigen in ihrer Rechnung Sozialleistungen, die Beschäftigten mit

Weitere Kostenlose Bücher