Luegenbeichte
Die Hausärztin hatte mit Herrn Werner telefoniert, wegen der Untersuchungsergebnisse des Erbrochenen, das im gerichtsmedizinischen Labor analysiert worden war. Weitere Untersuchungen seien noch im Gange. Frau Riesheimer-Bricket fragte Lou mehrere Male, wo er denn gewesen sei, aber Lou tat gelangweilt und gab keine Antwort. Sie empfahl Marina, ihn öfter zu fragen, ob er zur Toilette müsste, ihn jedoch nicht wegen einer nassen Hose zu tadeln. Das würde sich schon wieder einpendeln und dann solle er auch wieder in den Kindergarten, um so schnell wie möglich in sein normales Leben zurückzukehren.
Auf dem Rückweg von der Ärztin wollte er, dass sich Josi zu ihm nach hinten ins Auto setzte. Josi rutschte ganz nah an Lou ran.
»Hast du noch Schokolade für mich?«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Lou schüttelte den Kopf.
»Was war das denn für Schokolade?«
»So runde«, sagte Lou.
»Runde Schokolade?«
»Weiße Pralinen.« Lou suchte etwas in seiner Hosentasche, schaute sie dabei an. »Bleibst du noch bei mir?«
»Ja«, sagte Josi und sah, dass Marina sie im Rückspiegel beobachtete. Sie hatte vorhin schon gefragt, wann sie denn wieder zur Schule gehe. Wahrscheinlich konnte sie sie nicht länger ertragen, aber das war Josi egal. Sie konnte sich jetzt noch nicht von Lou trennen.
Lou zog Herrn Rufus' aus seiner Hosentasche. »Wir müssen einen Fall lösen«, sagte er mit Herrn Rufus' Stimme und schaute Josi an. »Hilfst du uns dabei?«
»Na klar«, sagte Josi. »Was denn für einen Fall?«
»Einen großen.«
»Einen Schokoladen-Fall?«
Lou lachte, nickte.
»Wie bitte?«, rief Marina nach hinten. »Wovon redet ihr?«
Lou kicherte. »Von Schokolade und Kaugummi und Gummibärchen!«
»Aber Gummibärchen magst du doch gar nicht«, sagte Marina in den Rückspiegel.
»Ich mag auch keine weißen Pralinen mehr.« Lou verzog das Gesicht.
»Von Herrn Rufus' Fall erzählst du mir später, ja?«, flüsterte Josi ihm ins Ohr. Er gähnte und nickte.
Als Marina in der Garage parkte und Josi mit Louvon der Rückbank rutschte, hielt Marina sie am Arm fest. »Danke, dass du noch geblieben und zur Ärztin mitgekommen bist«, sagte sie. Ihre Augen schimmerten feucht.
Josi merkte, wie sie rot wurde. Dabei hatte sie doch gedacht, Marina wollte sie so schnell wie möglich loswerden.
13:11
Max schrieb eine SMS: Bin so froh! Ich liebe dich! Ruf dich an, sobald ich kann! Hab noch bis halb drei Schule.
Sie atmete tief ein. Wärme breitete sich unter ihrem Zwerchfell aus. Dann meldete sich Barbara. Sie hatte bei Estefan übernachtet und dummerweise ihr Handy vergessen. Sie war sehr froh, dass Lou wieder da war, und wollte wissen, wo er denn gewesen sei, aber Josi konnte ihr nicht viel erzählen.
»Mein Gott, habe ich eine Angst gehabt, ihm könnte was passiert sein. Wahrscheinlich liest man zu viele Krimis. Apropos Krimis – weiß man schon mehr über diese tote Frau?«
»Nein«, sagte Josi.
»Wann kommst du denn nach Hause?«
»Marina hat mich gebeten, heute noch hierzubleiben. Sobald Lou wieder in den Kindergarten geht, komme ich nach Hause.«
»Ach, Marina hat dich gebeten? Kaum zu glauben.«
»Du kennst Marina doch gar nicht«, rutschte es Josi heraus. Auf Barbaras Sticheleien konnte sie jetzt wirklich verzichten. Sie hörte ihre Mutter schlucken. Nochnie hatte Josi ein gutes Wort für Marina eingelegt, wenn Barbara über sie herzog. Das schien ihr für einen Moment die Sprache zu verschlagen. Dann sagte sie: »Und, mit der Schule ist alles okay?«
»Ja. Ich habe ja erst zwei Tage gefehlt. Ist eh nichts mehr los, so kurz vor den Ferien.«
»Ach, Josi, ich freu mich so, dass alles gut ausgegangen ist.«
»Ich erst mal!«
Dann kam Lou angerannt. »Redest du mit Max?«
»Nein, mit Barbara. Willst du Hallo sagen?«
Lou schnappte sich das Handy. »Hallo?«
Josi hörte ihre Stimme durchs Handy. Lou sagte »ja« oder »nein«, dann sagte er: »Tschüss!« und gab das Handy zurück.
Barbara hatte auch nichts aus ihm rausgekriegt. »Vielleicht sollte man ihn erst mal in Ruhe lassen«, sagte sie zu Josi.
»Das haben wir auch schon gedacht.«
Als sie auflegte, wunderte sie sich selbst, dass sie »wir« gesagt hatte. Wen meinte sie eigentlich damit? Marina, Thomas und sich? Ihre Familie?
Er ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.
14:14
Marina hatte ja gedacht, Lou würde noch ein bisschen schlafen, bevor die Kinderpsychologin kam, aber er war viel zu aufgedreht. Josi lag mit ihm in seinem
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