Luegenbeichte
passiert ist? Siehst du das denn nicht?«
»Nein.«
»Siehst du etwa nicht das rote Licht?« Er tippte vorwurfsvoll mit dem Finger auf den Bildschirm. »Es sollte nicht rot sein, sondern grün. GRÜN, verstehst du!«
Josi nickte. Robert konnte selbst abstürzen wie ein Computer, aber dagegen hatte er doch Medikamente. Sie schaute zur Tür. Sie hatte keine Lust und keine Kraft für seine Stimmungsschwankungen.
»Das kriegst du schon wieder hin«, sagte sie. » Du bist doch der Fachmann. Ich will dich auch nicht weiter stören. Ich gehe jetzt lieber.«
»Nein«, sagte er wie aus der Pistole geschossen. »Du bist doch gerade erst gekommen. Setz dich wieder hin!«
15:55
Alles in ihr sträubte sich dagegen, sich wieder hinzusetzen. Es war ungemütlich und irgendwie auch unheimlich, hier mit Robert allein zu sein, aber sie wollteihn auf keinen Fall reizen. Sie erinnerte sich noch sehr gut, wie jähzornig er werden konnte, wenn er so den Mund verkniff. Also setzte sie sich, aber nur, um den richtigen Moment zum Gehen abzuwarten. Wegen Lou fragte sie jetzt lieber auch nicht weiter. Besser, sie würde erst mit Barbara sprechen, ihr von ihrer Vermutung erzählen, dass Robert wohl der Untermieter des alten Mannes sei, bei dem Lou gewesen war. Vielleicht arbeitete Robert ja mit ihm zusammen an neuen Computerspielen? Josi erschrak selbst vor ihren eigenen Gedanken. Das war doch absurd! Mit Robert konnte man doch nicht zusammenarbeiten.
»Ich mach uns einen Kaffee«, sagte er, stand auf und ging zur Küchenzeile. Sie stand auch auf.
»Danke, aber ich möchte keinen.«
»Doch. Einen kleinen.« Er fischte eine Tasse aus der Spüle und wusch sie mit den Händen aus. Die andere nahm er vom benutzten Stapel. Er goss beide Tassen voll und gab ihr die saubere. Na gut, dann würde sie eben noch einen Kaffee mit ihm trinken.
Sie gingen an den Tisch zurück, setzten sich wieder. Der Nackenschutz seiner Kappe sah von der Seite aus wie lange Haare. Der Schirm warf Schatten über seine Augen. Unter den Augen war die Haut rot und faltig. Er litt früher schon unter Schuppenflechte und Barbara hatte alle möglichen Salben und Puder ausprobiert, auch homöopathische Mittel. Josi konnte sich noch gut daran erinnern, wie er sich ständig an den spröden Ellenbogen kratzte – und dann dieses ständige Zucken des linken Mundwinkels. Er hatte sich kaum verändert, wenn man mal von seiner Fettleibigkeit absah, undsicher hätte sie ihn nicht erkannt, wenn sie ihn zufällig auf der Straße getroffen hätte, schon gar nicht mit dem Bartschatten und dieser Wüstenkappe. Auch nicht an der Stimme.
Er tat sich nun schon den vierten Löffel Zucker in den Kaffee. Seine Vorliebe für Süßes hatte er auch behalten. Josi pustete in ihre Tasse, nahm einen Schluck, verbrannte sich die Lippe, fragte nach Milch. Robert langte über den Tisch, hinter einen Rechner und stellte ihr eine offene Tüte H-Milch vor die Nase. Sie goss einen Schluck in ihren Kaffee und sah zu, wie sich die Milch mit der dunklen, wässrigen Brühe vermischt. Es drehte ihr fast den Magen um.
»Wirklich total schön, dass du da bist«, sagte Robert und schaute sie mit hungrigen Augen an. Sie kannte diesen bettelnden Blick noch gut, wenn er vor ihr gestanden hatte und ihre Schokolade haben wollte, weil er seine schon aufgegessen hatte – oder eins von ihren Kuscheltieren.
16:26
Eine Fliege summte über der Milchtüte. Robert war still, sein Wortschwall verebbt. Dabei waren die Probleme, die er mit den Computern hatte, bestimmt nicht gelöst, aber das schien ihn jetzt nicht mehr zu stören. Josi traute sich nicht, ihn darauf anzusprechen. Ihr Magen zog sich schon wieder zusammen. Irgendwas stimmte hier nicht! Die vielen Computer und die Computerspiele – die Kreuze an der Wand. Und Robert war auf Anschlag. Warum?
Sie kriegte den Kaffee nicht runter. Die Tasse war von innen braun, als wäre sie nie richtig abgewaschen worden, und der Kaffee selbst sah aus wie eine schmutzige Pfütze. So schmeckte er auch. Am besten, sie ging gleich kurz auf die Toilette, und wenn sie wiederkam, würde sie sich schnell verabschieden. Bis dahin wollte sie ihn bei Laune halten und mehr über den »alten Mann« erfahren.
»Schöner, großer Raum«, sagte sie. »Und so modern. Nach dem, was Barbara mir erzählt hat, dachte ich, du wohnst bei einem alten Herrn, möbliert, unterm Dach.«
»Ja, das Haus ist toll.«
»Bewohnt er die oberen Etagen ganz allein?«
»Wer?«
»Na, dein
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