Lügennetz: Thriller (German Edition)
gekleidete adelige Hochzeitsgäste schwebten um die mit weißen Decken geschmückten Tische auf der smaragdgrünen Wiese.
Selbst für mich als abgebrühte Cateringmitarbeiterin war die Hochzeit auf der weitläufigen Wiese vor dem Hemingway-Haus atemberaubend. Die Fensterläden des berühmten Hauses im spanischen Kolonialstil im Hintergrund standen sperrangelweit offen, als würde Papa Hemingway mit einem Highball in der Hand gleich höchstpersönlich auf die zweistöckige Veranda herauskommen und einen Trinkspruch auf das Paar in die Runde werfen.
Der Schampus, den ich mit perfekt gefalteter Leinenserviette ausschenkte, war, um genau zu sein, ein 92er Krug, aus dem Jahr, in dem sich das schicke, wunderschöne dunkelhaarige Paar aus New York– er Arbitrage-Händler, sie Kunsthändlerin– kennengelernt hatte. Hand in Hand standen sie am Rand der Wiese und ließen sich mit dem Leuchtturm von Key West im Hintergrund fotografieren.
Eines Tages werde ich vielleicht meinen Abschluss in englischer Literatur machen, dachte ich und seufzte erneut. Doch bis dahin konnte ich mich gemütlich hier in der Hochzeitswelt ausruhen, wo es nur Samstagnachmittage mit klassischer Musik, knallenden Korken, erhobenen Champagnergläsern, Eierschalengelb, Elfenbeinweiß und ewig blauem Himmel gab.
Natürlich wäre ich lieber mit Peter angeln gegangen, doch die letzten beiden Monate hatte er samstags immer Überstunden für eine Sondereinheit der Drogenbehörde gemacht. Er ermittelte verdeckt, was, wie ich wusste, gefährlich war und ich deswegen hasste. Doch ich kannte meinen Mann. Peter war ein hartgesottener Superpolizist, der sich problemlos um sich und seine Kollegen kümmern konnte. Es waren die bösen Jungs, die sich Sorgen machen mussten.
» Deine Hochzeit war besser « , sagte meine Chefin und Peters Kollegin, Elena Cardenas, eine vollschlanke, blonde Kubanerin, und stieß mich mit ihrer Hüfte an, als sie mit einem Tablett mit Sesamhühnchen an mir vorbeiging.
» Ja, stimmt. « Ich verdrehte die Augen. » Welcher Teil hat dir denn am besten gefallen? Als mich Peter ins Wasser schmeißen wollte oder als er seine besoffene Version von ›Paradise by the Dashbord Light‹ zum Besten gegeben hat? «
» Kann mich gar nicht entscheiden « , antwortete sie mit einem Lachen. » Zumindest hatte er keinen Besenstiel im Arsch wie dieser Bräutigam hier. Hör mal, Teo steckt bis zum Hals in Arbeit, und der Champagner an seiner Bar ist gleich alle. Kannst du aus dem Wagen eine Kiste Krug holen? «
» Aye, aye, Captain « , sagte ich.
» Und nimm dich vor dem Fallschirmmörder in Acht « , rief Elena mir hinterher, als ich bereits das Gittertor erreicht hatte.
Der Fallschirmmörder ging mir und wahrscheinlich jeder jungen Frau in Südflorida tatsächlich nicht mehr aus dem Kopf. Channel 7 berichtete pausenlos über geheimnisvolle Entführungen, vermisste Prostituierte und einen erfolglosen Angriff in Nordflorida, bei dem ein Mann eine Frau mit Fallschirmseil gefesselt hatte. Das Wort » Serienmörder « war im Umlauf, obwohl noch keine Leichen aufgetaucht waren.
Ja, vielen Dank, Elena, dass du mich daran erinnert hast, dachte ich auf dem Weg die verlassene Straße entlang zum Transporter.
Mit dem Karton auf dem Arm ging ich auf dem Bürgersteig zurück, als ich auf der anderen Straßenseite einen Mann in einem ramponierten Jeep erblickte. Mit seinem langen, schmutzigen blonden Haar und der Sonnenbrille mit Gummiband erinnerte er mich an Björn Borg, den Tennisspieler. Auch einen blonden Jesusbart hatte er. Durch die Windschutzscheibe konnte ich ihn deutlich sehen, und obwohl sein Gesicht abgewandt war, hatte ich den Eindruck, dass er mich hinter seiner Sonnenbrille beobachtete. Er nahm etwas aus der Brusttasche seines Jeanshemds, bei dem die Ärmel abgeschnitten waren, und spielte damit. Es war ein goldenes Feuerzeug, das er im Takt der aneinanderschlagenden Champagnerflaschen anzündete.
Ich bekam Angst. Der Typ war echt unheimlich. Raschen Schrittes erreichte ich das Tor in dem Moment, in dem der Fahrer den Motor laut aufheulen ließ, losfuhr und mit quietschenden Reifen um die Ecke bog.
Was, zum Teufel, war das denn?
Teo brachte wie üblich nur ein gebrummtes Danke heraus, als ich den Karton neben seiner belebten Bar abstellte. Ich konnte mich nicht entscheiden, was ich an dem jungen, hübschen Latino mit blondierten Haarspitzen weniger leiden konnte: dass er so oft auf der Toilette verschwand und sich, wenn er herauskam, mit
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