Lügennetz: Thriller (German Edition)
Kreise. Es ergab Sinn. Während ich so dastand, hatte ich das Gefühl, jeder einzelne Buchstabe dieses Wortes würde mit der Wucht der Typenhebel einer alten Schreibmaschine auf meine Hirnfläche gestanzt werden.
L-Ü-G-N-E-R.
Peter war ein Lügner.
Es gab keine Baustelle in Big Pine. Keine Überstunden. Ich konnte mir denken, dass es auch keinen Auftrag der Drogenbehörde gab und nie gegeben hatte. Peter hatte mich neulich und hinsichtlich aller anderen Doppelschichten während der vergangenen zwei Monate doch angelogen.
Was mich am meisten fertigmachte– mehr als der Schmerz und die Wut–, war, zu merken, wie verletzlich ich war. Weil sich mein ganzes Leben um Peter drehte, wie mir jetzt bewusst wurde. Das Haus gehörte ihm, ebenso wie der Wagen und das Boot. In den vergangenen zwei Jahren hatte ich mit meiner Schwarzarbeit für sechs Dollar pro Stunde was gekauft? Ein paar Klamotten? Hin und wieder den Kühlschrank aufgefüllt?
Ich hatte nichts. Nicht einmal meinen Uni-Abschluss, weil ich, schlau wie ich war, die Vorsicht in den Wind geschlagen hatte, statt mit dem letzten Flugzeug abzuhauen.
Ich hatte alles auf Peter gesetzt, aber man brauchte kein Genie zu sein, um zu kapieren, was der Wagen auf der anderen Straßenseite bedeutete: Ich hatte haushoch verloren.
Nein, halt! Korrektur. Ich legte die Hand auf meinen Bauch. Nicht nur ich hatte haushoch verloren. Meinem Baby an Bord ging es nicht besser.
Was hattest du denn erwartet?, plagte mich mein nächster Gedanke.
Diese neue innere Stimme gehörte meiner Mutter, wie mir bewusst wurde. Der unvergessliche Ton ihrer dunklen, betrunkenen Zornesstimme, die sie nach dem Tod meines Vaters immer öfter hatte hören lassen.
Bist du wirklich so dumm, Jeanie Beanie? Welche Sorte von Polizist würde jemals eine Leiche verschwinden lassen? Glaubst du wirklich, ein solches blutiges Chaos, wie du es veranstaltet hast, bleibt ungesühnt? Und wenn wir schon bei blutigem Chaos sind, was ist mit der Maschinenpistole, die du auf dem Boot deines Mannes gefunden hast?
Die Nackenhaare standen mir vor Schreck zu Berge. Ich taumelte rückwärts, bis ich gegen die Mauer des Videoverleihs stieß, nach unten rutschte und mit meinem Hintern auf dem kalten, harten Gehsteig landete.
Den Verkehr auf der dunklen Straße nahm ich hinter meinen Händen, mit denen ich mein Gesicht wie ein Kind bedeckte, das sich unsichtbar machen will, nicht mehr wahr. Aber etwas anderes ging mir jetzt auf.
Eine Sache war mir bisher völlig entgangen.
Ich hatte alles, was Peter mir über sich erzählt hatte, unbesehen geglaubt.
Aber eigentlich hatte ich keine Ahnung, wer Peter überhaupt war.
20
Etwa zehn zermürbende Minuten später wurde eine der Türen im Erdgeschoss des Motels geöffnet, und ein Mann trat heraus.
Auch wenn ich es erwartet hatte, fühlte es sich trotzdem wie ein Kinnhaken an, als ich Peter erkannte. Das war aber nicht der einzige Schlag. Peter trug einen dunkelblauen, perfekt sitzenden Anzug, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Armani vielleicht.
Ich begann zu schluchzen. Wie hatte es zu dieser Situation kommen können? Wie konnte sich der Mann, der mich mit » Brandy « und » The Princess Bride « bekannt gemacht und mich an die Freuden japanischen Biers herangeführt hatte, als der verlogenste Wichser der Welt entpuppen?
Peter ließ seinen Blick vorsichtig über den Parkplatz gleiten. Augenscheinlich zufrieden zog er die Tür hinter sich zu und ging zum Wagen. Ich drehte mich um und rannte zu meiner Vespa, als er die Wagentür öffnete.
Hielt sich diejenige, mit der er zusammen war, noch im Zimmer auf?, überlegte ich, nach wie vor völlig geplättet. Oder hatten sie sich noch nicht getroffen? Holte er sie vielleicht erst ab?
» He, darf ich als fünftes Rad am Wagen bei eurer Verabredung mitspielen, du Miststück? « , fragte ich leise. Sicher, ich drehte genauso durch wie die Vespa, die ich jetzt startete. » Danke, Peter. Lass dich nicht stören. Geiler Anzug übrigens. «
Wenige Minuten später erreichte ich mit verschwommenem Blick nur zwei Autos hinter Peters Supra die Duval Street. Mit ihren vollen Bars drinnen und draußen, an denen Bier und Rum verkauft wurden wie Hotdogs auf Coney Island, war die Haupteinkaufsstraße von Key West das, was die Bourbon Street für New Orleans war. Außer dass man in Key West jede Nacht Karneval zu feiern schien.
Vor einer vollen Bar hielt ich an, als Peter neben einem T-Shirt-Laden in eine Seitenstraße bog und parkte. Und
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