Lügennetz: Thriller (German Edition)
und wühlte zwischen den Büchern nach der Waffe. Unter dem Sofa entdeckte ich etwas Schwarzes, Metallisches und hechtete darauf zu. Ich griff zur Waffe, hielt sie dicht vor meinen Bauch und legte den Finger über den Abzug. Ich drehte mich um und drückte im gleichen Moment ab. Aber nichts passierte. Der Abzug bewegte sich nicht. Ich drückte mit dem Daumen auf den Sicherheitsschalter und zielte erneut. Aber das Ding wollte immer noch nicht schießen.
Ich schrie auf, als Peter mit seinem Stiefel gegen meine Schläfe trat. Die Waffe flog mir aus der Hand, wirbelte über den Holzboden den Flur entlang Richtung Schlafzimmer.
» Das ist eine Pistole mit Spannabzug, du dämliche Schlampe. Beim ersten Schuss muss man den Abzug richtig fest drücken « , erklärte Peter und ging auf die Waffe zu. » Ich zeig’s dir. «
Ich sprang auf und rannte in die entgegengesetzte Richtung, wollte durch die Wohnungstür nach draußen und um Hilfe schreien. Doch ich wusste, was er Emma antun würde. In letzter Sekunde bog ich zur Küche ab und zog ein Messer aus dem Messerblock neben dem Herd. Das Ding mit der zwanzig Zentimeter langen Klinge lag gut in meiner Hand. Ich hielt es über meinen Kopf und raste zurück ins Wohnzimmer.
Peter stand neben der Schlafzimmertür, die Waffe auf mein Gesicht gerichtet. Er lachte nur, während er versuchte, den Abzug zu betätigen.
Nichts passierte. Statt die Waffe zu entsichern, musste ich sie gesichert haben.
Ich rannte schwankend weiter. Der Lauf der Pistole traf mich im Mund, lockerte zwei meiner Zähne. Das konnte mich nicht aufhalten. Meine Knöchel streiften über die Unterseite von Peters frisch rasiertem Kinn, als ich mich mit all meiner Kraft auf ihn stürzte.
Ich schlitzte ihm die Kehle auf und versenkte das Messer bis zum Griff tief neben seinem Schlüsselbein.
Er kippte gurgelnd nach hinten in mein Schlafzimmer. Ich erinnere mich an warmes Blut in meinen Augen und auf meinen Wangen, als ich mich umdrehte und zu Emma rannte. Bücher beiseitetretend, packte ich schließlich ihre Hand und zerrte sie über den Boden zur Tür, wo sie sich völlig benommen erhob. Uns gegenseitig stützend, humpelten wir aus der Wohnung und die Treppe hinunter.
Eine Frau mit schlecht geliftetem Gesicht, die ihren Labradoodle spazieren führte, kreischte auf und rannte davon, als sie mich in meinem blutüberströmten Bademantel durch den Dienstboteneingang kommen sah. An der Ecke Third Avenue machte ich an einem Blumenladen am Waschbecken neben einem Regal mit billigen Rosen halt. Ich spülte noch immer Glasscherben aus Emmas Augen, als der erste Streifenwagen über den Bordstein holperte.
Epilog Ein Jahr später
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» Jeanina! Komm her! « , rief Charlie um zehn vor sieben am Samstagmorgen aus dem Büro.
Ich hob meinen Kopf vom Kissen und seufzte wegen des Spitznamens, den mir Charlie auf dem Rückflug von unserer Hochzeitsreise einen Monat zuvor verpasst hatte.
Charlie war das erste Gesicht gewesen, das ich am Tag nach Peters Angriff gesehen hatte, nachdem ich im Krankenhaus aufgewacht war. Und seitdem ist sein Gesicht das letzte, das ich jeden Abend sehe. Er hatte mir nicht nur verziehen, sondern auch das Unmögliche vollbracht: mir geholfen, mir selbst zu verzeihen.
Ich hatte auch die Reaktion meines Chefs und der Kanzlei unterschätzt. Tom hätte nicht behilflicher und verständnisvoller sein können, als alles ans Tageslicht kam. Ich hatte sogar eine Postkarte von Justin Harris aus Antigua erhalten. Dort hatte er sich nach seiner Freilassung niedergelassen und mir angeboten, ihn jederzeit zu besuchen.
Er würde eine Weile warten müssen. Ich hatte nicht vor, so schnell in die Karibik zurückzukehren.
» Jeanina! « , rief Charlie noch einmal.
Ich krabbelte aus dem Bett und schlurfte in den Flur.
» Was brüllt der denn so? « , fragte Emma, die ihren Kopf schwach lächelnd aus ihrem Zimmer in unserer neuen Wohnung auf der Upper West Side streckte.
» Keine Ahnung! « , antwortete ich, glücklich darüber, dass die dunklen Ringe unter ihren Augen verschwunden waren. Ihre Albträume ließen nach, und sie machte eindeutig Fortschritte, ebenso wie ich. Wir hatten gerade erst Peters letzten Dreck von unseren Schuhen geputzt.
» Jeanina! « , schrie Charlie ein drittes Mal, als ich bereits sein Büro betrat. » Ach, da bist du ja. «
» Was ist los? « , wollte ich wissen.
» Wir müssen feiern. « Charlie sprang von seinem Bürostuhl auf und drückte eine Taste auf seinem Rechner. Der
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