Lügennetz: Thriller (German Edition)
jetzt? Was trinken und ein bisschen tanzen? Vielleicht ein spätes Abendessen?
Mit zitternden Händen umklammerte ich die Griffe meiner Vespa. Noch immer konnte ich nicht glauben, was ich hier sah. Etwa einen Straßenblock entfernt wartete ich, nahm die Freitagnachtparade der Seeleute, Matrosen, Transvestiten, Collegeschüler, Sonnenanbeter und schicken Millionärspärchen ab, die hier ihren Urlaub verbrachten. Peter tauchte einen Moment später aus der Seitenstraße wieder auf, in der Hand einen kleinen, grünen Umhängebeutel.
Und jetzt? Vielleicht ins Sportstudio? Ha, von wegen Doppelschicht! Ich startete meine Vespa und folgte ihm.
Bei Peter ging es eher um ein Doppel leben.
Ich musste plötzlich bremsen und schürfte mir meine Vespa und meinen Knöchel am Bordstein auf. Peter bog an der Südseite des eher schäbigen als schicken, aber legendären Jugendstilhotels La Concha auf die Fleming Street ein. Ich sprang ab, rannte im Schatten der Markise bis zur Ecke und schob vorsichtig den Kopf vor.
Peter stand auf dem hell erleuchteten Bürgersteig vor dem Geldautomaten der Hibiscus Savings Bank. Er zog einen dicken Umschlag aus dem Umhängebeutel und schob ihn in den Schlitz des Bankautomaten.
Eine Einzahlung spätabends ist ja eigentlich nichts Ungewöhnliches.
Allerdings führten wir kein Konto bei der Hibiscus Savings Bank, sondern bei der First State. Zumindest für das mir bekannte Konto, dachte ich kopfschüttelnd.
Diese Informationen versuchte ich zu verarbeiten, als ein kleiner silberfarbener Mazda Z mit getönten Scheiben an mir vorbeifuhr und auf die Fleming Street einbog. Der Wagen hupte, woraufhin Peter sich umdrehte, zur Beifahrerseite lief und einstieg.
Ich rannte zurück zu meiner Vespa.
Offenbar fing Peters Nacht erst an.
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Langsam eröffnete sich vor meinen Augen eine neue Möglichkeit, während ich dem Mazda auf der stark befahrenen Duval Street auf die dunkleren Straßen des angrenzenden Bahama Village folgte.
Diese Möglichkeit hatte angesichts der aktuellen Umstände etwas Tröstliches.
Vielleicht hatte diese Sache tatsächlich was mit der Drogenbehörde zu tun.
Vielleicht ermittelte Peter doch verdeckt und hatte die Geschichte mit dem Baustellenverkehr in Big Pine nur erfunden, damit ich mir keine Sorgen machte. Klar, es blieb eine Lüge, aber eine, mit der er mich womöglich schützen wollte.
Bitte, lass dies den Grund sein, betete ich, während ich ihm wie eine Wahnsinnige durch Key Wests pechschwarze Straßen folgte.
Zehn Minuten später fuhr der Mazda auf den leeren Parkplatz des Fort Zachary Taylor State Park. Ich hielt auf der Straße im Schutz der den Parkplatz umgebenden Mauer, während der Mazda mitten auf dem Platz stehen blieb. Kurz darauf wurden die Lichter ausgeschaltet.
Überwachten sie hier irgendeinen Ort? Führten sie einen Drogenhandel durch? Warteten sie auf jemanden?
Der Wind fegte durch die dunklen, knarrenden Palmen, während ich neben der Mauer kniete und den Wagen im Auge behielt. Als ich mich nach hinten drehte, fiel mir Elenas Warnung vor dem Fallschirmmörder ein. Einige Leute vermuteten, er stamme aus Key West.
Toll. Nochmals vielen Dank, Elena. Ich weiß das sehr zu schätzen. Das hilft mir, mich vor anderen Dingen zu fürchten als vor dem hier.
Ich sank in dem Moment auf den Boden, als der Wagen plötzlich gestartet wurde und mit quietschenden Reifen vom Parkplatz fuhr.
Der Wagen war schon außer Sichtweite, noch bevor ich meine Vespa erreicht hatte. Deswegen beschloss ich, dorthin zurückzufahren, wo Peters Wagen stand. Peter stieg gerade aus dem silberfarbenen Mazda, als ich zehn Minuten später die Seitenstraße erreichte. Ich hielt am Straßenrand vor der vollen Bar, um abzuwarten, was als Nächstes passieren würde.
Als Erstes fiel mir auf, dass Peter nicht mehr den grünen Umhängebeutel, sondern einen viel größeren schwarzen Lederrucksack bei sich hatte.
Ein letzter Funke meiner verzweifelten Hoffnung wurde in mir entfacht. Das musste doch heißen, dass er für die Drogenbehörde ermittelte. An diesen Glauben klammerte ich mich wie eine Ertrinkende an einen Strohhalm.
Der Mazda fuhr auf die Duval Street bis zur nächsten roten Ampel, wo die getönten Seitenfenster heruntergelassen wurden. Spanische Musik drang heraus. Das laute Hupen und die Bongotrommeln im Ohr, die sich gegenseitig den Rang ablaufen wollten, starrte ich mit weit aufgerissenen Augen auf die beiden anderen Mitfahrer und blinzelte ungläubig. Nein, das konnte nicht
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