Lügennetz: Thriller (German Edition)
als der Streifenwagen mit quietschenden Reifen auf der North Roosevelt neben einer Tankstelle hielt.
Ich blickte mich um, als wäre die Welt untergegangen. Außer etwa sechs Streifenwagen mit eingeschalteten Sirenen standen hier drei Krankenwagen und ein Feuerwehrwagen. Gelbes Absperrband flatterte zwischen den Zapfsäulen. Der gesamte Straßenblock um die Tankstelle herum sah aus wie ein riesiges Geschenk. Touristen und Strandgammler standen schweigend Schulter an Schulter hinter dem gelben Band wie Zuschauer bei einer Sportveranstaltung.
Offenbar waren alle Polizisten von Key West hier. Ich blickte von einem Gesicht zum anderen, nickte denjenigen zu, die ich kannte. Bei unseren Softball- und Grillnachmittagen waren diese Männer so glücklich und entspannt gewesen. Hier, wo sie in ihren schwarzen Uniformen den Tatort absicherten, wirkten sie plötzlich kalt, herzlos, wütend, fast boshaft.
Was war hier passiert, verdammt noch mal?
» Sie ist hier « , sagte Billy Mulford, ein Kollege und guter Freund von Peter.
Als ich Billy, einen blonden Energiebolzen mittleren Alters, das letzte Mal gesehen hatte, war er bei einer Abschiedsparty für einen Kollegen besoffen in der Hocke vom Boot gesprungen. Jetzt schien er genauso viel Spaß zu haben wie der Wärter eines Konzentrationslagers.
» Das ist Jeanine, Peters Frau. Lasst sie durch « , wies er die anderen an.
Ich war zu betäubt, um zu fragen, was hier vor sich ging, als er mir bedeutete, unter dem Absperrband hindurchzugehen, das für mich hochgehoben wurde. Warum wurde ich wie eine Ersthelferin behandelt? Die plärrende Sirene eines weiteren Krankenwagens, der vor der Tankstelle hielt, verstummte in dem Moment, in dem Billy mich rasch über den von der Sonne ausgebleichten Asphalt und an den Zapfsäulen vorbeiführte.
Gleich hinter der Tür des Lebensmittelladens kniete ein halbes Dutzend Sanitäter neben jemandem, den ich nicht sehen konnte. Meine Hände begannen zu zittern, die ich wie zum Gebet faltete, während ich mir auszumalen versuchte, was dieses Chaos zu bedeuten hatte.
» Los, los, aus dem Weg! « , bellte ein schwarzer Sanitäter, der eine Spritze aus einem leuchtend gelben Erste-Hilfe-Koffer nahm.
» Wir kommen! « , rief einen Moment später ein anderer mit hoher, panischer Stimme. Mit grässlich lautem Klicken und Klackern wurde das Fahrgestell der Trage hochgeklappt. Die Polizisten und Sanitäter teilten sich und ließen die Trage hindurchrollen.
Beinahe wäre ich in mich zusammengesackt, stolperte kopfschüttelnd rückwärts, als Billy zur Seite trat und ich endlich sehen konnte, wer auf der Rolltrage lag.
Peter wurde an mir vorbeigeschoben, den Blick stumpf ins Leere gerichtet, das Gesicht blutüberströmt.
24
Polizisten umringten Peter, um ihn auf dem Weg zum Krankenwagen vor den Blicken der Gaffer zu schützen.
Mir fielen mehrere Dinge gleichzeitig auf: Er war leichenblass; ein dünnes Spinnennetz aus Blut bedeckte seine Wange und seinen Hals; sein Uniformhemd war aufgeschnitten worden; Blut tropfte von seiner Schulter, und sein Arm war mit bereits trocknendem, schwärzlichem Blut überzogen. Peter sah nicht nur angeschossen aus, sondern tot.
» Lasst sie durch « , verlangte Billy und zog mich vorwärts. » Sie ist seine Frau. «
» Jetzt nicht, verdammt « , schimpfte der stämmige schwarze Sanitäter und schob ihn beiseite.
» Oh, Gott. Oh, Gott « , stöhnte Billy kopfschüttelnd, als Peter mit dem Wagen fortgebracht wurde. Er drückte meine Schulter. » Es tut mir so leid, Jeanine. Das hätte nicht passieren dürfen. «
» Was ist denn passiert? « , fragte ich.
» Das wissen wir nicht genau « , antwortete er mit aschfahlem Gesicht und zuckte mit den Schultern. » Ich bin selbst eben erst eingetroffen. Wir gehen davon aus, dass Peter herkam, um sich während seiner Arbeit einen Kaffee zu besorgen, und mitten in einem Raubüberfall landete. Zwei Jamaikaner. Sie hatten eine Art Maschinengewehr. Unsere Leute gerieten in einen Hinterhalt. Wir fahnden bereits nach den Tätern. «
Billy wirbelte herum, als eine drahtige, muskulöse Sanitäterin mit blutigen Turnschuhen aus dem Laden kam. » Wie geht’s ihr? « , wollte er wissen.
Ihr?
Ich trat nach rechts und blickte in den Laden. Dort knieten drei Sanitäter bei einer Leiche. Ich ging weiter, sah die blonde Mähne neben der Polizeikappe– und hatte das Gefühl, mit dem Gesicht gegen einen elektrischen Zaun gerannt zu sein. Völlig grundlos begann ich langsam zu
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