Luegenprinzessin
hinter mir zu hören. Und was war das jetzt? Da sang jemand! Nein, jemand rief meinen Namen! War das möglich? Ja, da war es wieder. Aber woher? Wer? Miiia . Eine helle Stimme. Hoffentlich war Vero oder Diana nichts passiert. Doch das klang nicht nach einem Hilfeschrei, eher nach einem Lockruf. Miiia . Vielleicht gehörte es ja zur Aufgabe und es war Norberts Frau. Ja, bestimmt, darum auch die geregelte Reihenfolge, damit sie wusste, wann sie welchen Namen rufen musste. Ich klammerte mich an diese vernünftige Erklärung. Doch gleich darauf erschrak ich wieder. Um mich herum war kein Weg mehr, ich musste mich verlaufen haben! Mein Herz trommelte hinauf bis zu meinen Ohren. Hektisch drehte ich mich nach allen Seiten um. Nichts als Finsternis und schemenhafte Gebilde. »Oh Gott«, wimmerte ich, »oh Gott!« In dem Moment wurde ich von hinten gepackt. Ich wehrte mich, schlug zu und trat um mich, doch mein Gegner war größer und stärker als ich. Ich merkte, dass ich nur ins Leere traf, und dann merkte ich auch, gegen wen ich kämpfte.
»Mia!«, rief er sicher schon zum zehnten Mal, aber erst jetzt registrierte ich es. Die Angst schnürte mir die Kehle zu, ich wollte schreien, brachte aber nur ein Krächzen heraus.
Ein weiteres Mal sagte er meinen Namen. Da gab ich jeden Widerstand auf, hing in seinen Armen und schluchzte.
»Mia, dir passiert nichts. Das ist doch nur eine blöde Aufgabe.«
»Aber ich – wir sind wirklich in Gefahr… nicht du, nur wir.« Ich merkte, wie unsinnig sich das anhörte, hatte aber keine Kraft, es besser zu erklären.
David schob mich sanft weiter. »Komm, wir gehen jetzt zusammen, ist doch egal, was Mr Bean sagt.« Ich hörte ihn leise lachen. Machte er sich über mich lustig?
Ich kämpfte darum, die Kontrolle über mich wiederzuerlangen und nicht wie eine hysterische Ziege zu klingen. »Normalerweise find ich so was wirklich nicht schlimm. Aber seit Tagen passieren ganz komische Dinge. Meine Haare – und du hast doch von Vero und dem Pfefferspray gehört, oder? Und die Sache mit Chris’ und Felix’ Rücksäcken und den Schuhen, das weißt du doch?«
»Schon. Vor allem weiß ich, dass du mit einem Pfeil angeschossen worden bist.«
»Aber was du wahrscheinlich nicht weißt, ist, dass Diana einen Zettel erhalten hat, auf dem draufstand, dass sie tot ist.«
»Okay.« Wieder mal mit dem kleinen Fragezeichen am Ende.
»Verstehst du jetzt, warum ich mit den Nerven fertig bin?«
»Ja, schon.« Es klang unsicher. »Ehrlich gesagt hab ich gedacht, dass das alles nur Tussikram ist. Bis auf das mit dem Pfeil. Das war schon heftig.«
Tussikram? Ich wand mich aus seinem Arm.
»Hey, warte«, sagte er. »Das heißt doch nicht, dass ich meine Meinung nicht ändere.«
Die Laufschritte hinter uns hörten wir gleichzeitig. Wir sahen uns an. David packte meine Hand und wir liefen los. In meiner Seite stach es noch immer und ich hatte große Mühe, mit David mitzukommen. Ich sah mittlerweile gar nichts mehr, konnte mich also nur ihm überlassen und an seiner Hand in die schwarze Wand hineinlaufen, tiefer und tiefer.
Als wir auf der Lichtung ankamen, standen schon Diana, Vero und Ben da. Direkt hinter uns kam Kinga aus dem Wald geschossen. »Oh Gott«, stieß sie hervor und schnaufte eindeutig erleichtert durch.
Diana warf die Arme zum Himmel und seufzte theatralisch. Vero winkte mir zu. Mir war klar, dass ich zu den beiden hinübermusste. »Danke«, flüsterte ich David zu und das Lächeln, das er mir daraufhin schenkte, hinterließ so ein schönes wärmendes Gefühl in meiner Brust, dass ich ein richtiges Grinsen im Gesicht hatte, als ich zu meinen Freundinnen trat.
Vero sah mich bitterböse an. »Das gibt es nicht. Wir machen uns die Sorgen unseres Lebens, während du schon wieder herumknutschst!«
»Pssst«, machte ich erschrocken und hoffte, dass David Veros Ausbruch nicht gehört hatte. »Tut mir so leid, aber es war wirklich nicht so. Und ich hab auch nicht geknutscht. Ich hab selbst die Ängste meines Lebens ausgestanden, auch um euch.« Zumindest am Anfang noch.
Diana winkte ab. »Vero braucht sich nicht gar so aufzuregen. Sie hat nämlich das Kunststück fertiggebracht, nach mir aus dem Wald rauszukommen, gell, Vero? Ich hab also auf euch beide warten müssen.« Sie schüttelte sich. »Mir ist kalt. Obwohl ich so gerannt bin, ist mir kalt.«
»Ihr seid aber trotzdem beim Nachtschwimmen dabei, oder?«, erkundigte sich Ben.
»Mia ist sicher dabei«, sagte Vero.
»Ja und Vero
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