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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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sind ohne mich gefahren? Das kann nicht sein. »Warum?«
    »Du wirst in Zukunft hier leben«, sagt Großmutter. »Du wirst …«
    Ich schieße zur Haustür hinaus, die Stufen hinunter, dort stand das Auto, aber jetzt sind da nur noch Reifenspuren im Matsch. Ich renne, so schnell ich kann, die Straße entlang. Das Auto ist weg. Ich renne, bis das Haus hinter mir außer Sichtweite ist, und werfe mich dann auf den Boden, wo ich im Dreck und Herbstlaub lande.
    Meine Eltern haben mich hiergelassen. Sie wissen, dass ich Zach nicht getötet habe. Ich habe den Jungen gefunden. Ich habe bewiesen, dass er es war, nicht ich. Und trotzdem haben sie mich hiergelassen.
    Das hat gar nichts mit Zach zu tun. Sondern mit Jordan.
    Meine Eltern haben mein ganzes Leben zerstört. Ohne auch nur Auf Wiedersehen zu sagen.

    Ich heule. Ich weine und jammere und schreie. Werfe Erde und goldene Blätter in die Luft.
    Wie konnten sie das tun?

MEINE GESCHICHTE
    Ich glaube, dass ich euch wegen Jordan angelogen habe, war eine Lüge zu viel. (Zehn Lügen zu viel? Tausend?)
    Aber es hatte einen Grund.
    Ich wollte, dass der Schmerz endlich aufhört. Wenn ich euch glauben machen konnte, dass er nie existiert hat, dann könnte ich es vielleicht auch selbst glauben. Ihn vergessen. Vergessen, wie er gestorben ist.
    Es wäre einfach. Wir reden nämlich nie über ihn. Außer an seinem Geburtstag und am Jahrestag seines Todes. Aber mit Ausnahme dieser beiden Tage ist es, als hätte es Jordan nie gegeben.
    Ich wünschte, es wäre so. Ich wünschte, ich hätte ihn nur erfunden. Ich würde lieber Pete zum Bruder haben. Pete zu erfinden, wäre einfacher, als Jordan zu erfinden. Er passt viel besser.
    Nicht, dass ich Pete nur erfunden hätte.
    Ihr wisst, was ich meine.
    Mir selbst vorzugaukeln, Jordan wäre nur erfunden, hat nicht funktioniert. Ich glaube nicht, dass ich eine Chance hatte. Er ist zwar tot, aber er ist doch ständig präsent. In der Art, wie meine Eltern mich ansehen. In der Art, wie
sie mich nicht ansehen. In der Art, wie sie mir nicht vertrauen.
    Mich nicht lieben.
    Es war ein Unfall.
    Warum glauben sie das nicht?
    Und ihr?

NACHHER
    Ich muss eingeschlafen sein. Ich war zu erschöpft vor Kummer und weil ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Ich wache auf, weil mir der Junge die Wange tätschelt. »Nicht weinen«, sagt er. »Warum weinst du?«
    »Weil die Arschlöcher mich hiergelassen haben.« Ich wische mir die Tränen von den Wangen. Ich habe im Schlaf geweint. Ich weine noch immer. »Weil Zach tot ist«, flüstere ich.
    »Aber hier ist es gut.«
    Der Junge sitzt im Schneidersitz neben mir auf dem Boden. Es ist dunkel, aber ich kann nicht erkennen, ob das an dem dichten Laub liegt oder daran, dass die Sonne schon untergegangen ist. So oder so ist es spät am Tag und hier gibt es keinen Strom. Ist mir eh egal. Mein Leben ist vorbei. Keine Stadt, kein College, keine Zukunft. Ich werde weder Sarah noch Tayshawn je wiedersehen. Ebenso gut könnte ich im Gefängnis sein.

    Wenn ich nach Hause fahre, werden Mom und Dad mich dann aufnehmen?
    Ich glaube nicht. Wenn ich in die Stadt zurückfahre, habe ich kein Geld, kein Obdach, kein gar nichts. Dann bin ich ein Straßenkind wie Pete.
    Meine Eltern haben mir alles genommen.
    »Wir können hier glücklich sein«, sagt der Junge. Er tätschelt mir den Kopf, als wäre ich ein Hund.
    »Wir?«, frage ich ihn und wünschte, meine Augen würden endlich aufhören zu tropfen.
    »Du und ich. Deswegen hab ich dich gesucht und du hast mich gerettet. Das hier ist der glückliche Teil. Wir gehören hierher.«
    Er ist nicht nur dumm, er ist völlig durchgeknallt. Ich gehöre hier ungefähr so hin wie ein Straßenkind ins Ritz-Carlton. Ganz und gar nicht.
    »Hier gefällt’s mir. Ich mag die Pferde und die anderen Tiere. Und deine Cousins. Obwohl sie mich hauen. Aber wenn sie mich umschmeißen, dann helfen sie mir auch wieder auf. Sie schlagen nicht so fest zu wie du. Es gibt viel zu essen. Ich hab einen Apfel vom Baum gepflückt. Nicht nur einen Apfel. Viele. Und hab sie auch gegessen.«
    »Du hast ja einen Hirnschaden.«
    »Wenn ich ein Wolf bin, dann zeigen sie mir, wie man jagt. Ich will ein Wolf sein.«
    »Sei lieber still. Ich hab das Ergebnis deiner Jagd gesehen. «
    Ich setze mich auf. Es ist kalt. Ein Schauder durchläuft meinen gesamten Körper. Mir ist nie kalt.
    »Sie werden mir zeigen, wie man reitet. Wie man Zäune baut und repariert. Mir hat noch nie jemand gezeigt, wie
man etwas macht. Nichts

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