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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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nehmen lässt. Keine getürkten Zuckerpillen – ich nehme die echten, jeden einzelnen Tag meines Lebens. Jetzt kriege ich meine Tage gar nicht. Ich habe nie mehr diese furchtbaren Schmerzen. Mein Blut bleibt in meinem Körper und hält mich aufrecht.
    Meine Mom ist deswegen ein bisschen ausgetickt. Sie hat sich Sorgen gemacht, dass es nicht natürlich ist. Sie dachte, dass es dazugehört, seine Tage zu haben, wenn man eine Frau ist.
    Ich wünschte, ich wäre ein Mann.
    Ich habe meinen Arzt gebeten, dass er mir erklärt, wie es funktioniert, aber das, was er mir über den Zyklus und die Gebärmutterschleimhaut und erhöhte Risiken erzählte, hab ich nicht kapiert, deswegen hab ich Yayeko Shoji gefragt. Sie ist Biologin, deswegen dachte ich, sie müsste es wissen.
    Und sie wusste es.
    Sie hat mir erklärt, dass die Gebärmutterschleimhaut dafür da ist, dass sich eine befruchtete Eizelle darin einnisten und zu einem Embryo entwickeln kann. (Also
nichts, worauf ich besonders scharf wäre!) Durch Hormone gesteuert wird die Schleimhaut einmal im Monat abgestoßen, damit sich danach wieder neue, frische bilden kann. Die dann wieder eine befruchtete Eizelle aufnehmen könnte … Ansonsten hat die Blutung überhaupt keinen Sinn. Es ist nicht so, dass die Gebärmutter dadurch gereinigt würde oder so. Die Geschlechtshormone steuern das, fertig. Ein ewiger Kreislauf aus Bluten und Nicht-Bluten.
    Yayeko sagt, bei sehr starken Blutungen sei es natürlicher, eine Pille zu nehmen, um die Blutungen zu stoppen, als die ganze Zeit zu bluten. Sie tut das Gleiche. Sie hat schon seit zwei Jahren keine Periode mehr gehabt.
    Yayeko hat auch mit meiner Mom gesprochen und es ihr erklärt, und Mom hatte danach ein besseres Gefühl, aber sie war noch immer nicht glücklich. »Du bist meine Tochter«, sagte sie. »Es fällt mir schwer, mich mit dem Gedanken anzufreunden, dass du diese très erwachsenen Pillen nimmst.«
    Dad musste man nicht überreden. Er ist dagegen, dass irgendjemand leidet, wenn es nicht sein muss. Vor allem nicht er selbst.
    Um den Preis, mein Leben lang jeden Morgen daran denken zu müssen, diese eine kleine Pille zu nehmen, kriege ich eine schöne Haut, kein Blut, keine Schmerzen und, wenn man Yayeko glaubt, ein geringeres Risiko für manche Krebsarten. Das ist ein fairer Deal.
    Ich kapier echt nicht, warum mir meine Eltern nicht zutrauen, dass ich die Pille wirklich jeden Morgen nehme. Ich bin doch diejenige, der es wehtut, wenn sie es vergisst. Ich bin diejenige, die ein Interesse daran hat. Starkes Interesse.
Aber nein, jeden Morgen dieselbe Frage: »Hast du deine Pille genommen?«
    »Ja, Dad, hab ich. Okay? Genau wie gestern und vorgestern. Ich werde sie auch morgen nehmen und übermorgen und so weiter und so fort.«
    Ich nehme die Pille und beklage mich nicht über ihre ständigen Ermahnungen. Nun ja, jedenfalls nicht so oft, wie ich könnte.

VORHER
    Bei diesem ersten Mal, nach diesem ersten Kuss, nachdem der Eiszapfen heruntergefallen war und ich ein zerbrochenes Eisstück aufgehoben hatte und es kalt und messerscharf in meinen Fingern spürte – danach –, hatte ich das Eis fallen gelassen und war losgerannt.
    Genau das hatte ich ja auch getan, bevor ich unter der Brücke haltgemacht hatte, um die Eiszapfen zu betrachten, bevor Zach Rubin mich gesehen hatte –, ich war gerannt.
    Das tat ich einfach gerne im Central Park: rennen und rennen und rennen so weit und so schnell wie ich konnte.
    Zach rannte mir hinterher. Er holte mich ein und hielt schwer atmend mit mir Schritt. Ich rannte schneller. Auch er beschleunigte, hatte aber Mühe mitzukommen. »Warte«, keuchte er.

    Ich lief langsamer.
    »Mann, bist du schnell«, keuchte er und passte sich meinem Tempo an. »Ich bin auch schnell, aber du bist schneller.«
    »Ja«, sagte ich. Ich bin schneller als alle anderen, mit denen ich jemals um die Wette gelaufen bin. Zu schnell, sagt mein Dad.
    Um es Zach so richtig zu zeigen, rannte ich los, so schnell ich nur konnte. Ganz bis zum Heartbreak Hill hinauf und noch weiter. Dann hielt ich bei der ersten freien Bank an und wartete auf ihn.
    Irgendwann tauchte er auch endlich auf, schweißgebadet, und ließ sich neben mich fallen.
    »Wie machst du das?«, ächzte er. »Du bist noch nicht mal in der Laufmannschaft.« Die Laufmannschaft unserer Schule ist genauso beschissen wie alle anderen Mannschaften. »Ich laufe. Ich laufe dauernd. Wie kannst du so schnell sein?« Er wischte sich mit dem Ärmel seines Pullis den

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