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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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Baumstumpf, jede Baumwurzel, jeden Busch. Er kriegt noch nicht mal Spinnweben ins Gesicht.
    Ist etwas in der Nähe, was warm ist und atmet und essbar ist, wird er stiller als ein Stein. Sieht es, lange bevor er gesehen wird.
    Ich frage mich, was gewesen wäre, wenn Großmutter Hilliard geheiratet hätte. Wenn Hilliard mein Großvater wäre.Wenn ich in den Wäldern aufgewachsen wäre. Wenn ich kein bisschen Stadtpflanze wäre.
    Dann hätte ich Zach nie getroffen.
    Wäre das besser oder schlechter?
    Ich glaube, ein Teil von dem – vielleicht sogar das meiste
– , was Zach an mir mochte, war das Ländliche, nicht das Städtische. Als ich ihm gezeigt habe, wie man im Central Park etwas zu essen finden kann. Wie man sich versteckt. Richtig versteckt. Auch Buntspechte und Streifenhörnchen habe ich ihm gezeigt. Er hatte zuvor nicht geglaubt, dass es wilde Tiere mitten in der Stadt gibt – jedenfalls nichts, was nicht Ratte oder Taube war.
    Er hielt mich für wild.
    Er mochte das Wilde in mir.

VORHER
    Ich habe es nicht getan, um anzugeben.
    Wir liefen langsam, Zach und ich, hatten gerade mal vier Meilen oder so zurückgelegt und waren auf halber Höhe vom Heartbreak Hill, als ich Fuchsgeruch wahrnahm. Ich wusste, dass sie da waren. Ich hatte ihre Duftmarke schon öfter gerochen. Aber noch nie so stark. Sie waren ganz nah.
    »Willst du mal Füchse sehen?«, fragte ich Zach und verlangsamte den Schritt, bis ich kaum noch rannte.
    »Füchse?«, fragte er und schaute mich schief an. »Was meinst du mit ›Füchse‹? Irgendwelche heißen Mädels, die ich nicht bemerkt habe? Außer dir, meine ich.« Er blieb stehen und sah sich um.
    »Nein, Füchse. Echte Füchse.«
    »Hat das irgendeine Bedeutung, die ich noch nicht
kenne? Du kannst ja wohl kaum die roten Tiere mit den großen Schwänzen meinen, oder?«
    Ich lachte. Er balancierte auf einem Bein und starrte mich an, als wäre ich dabei, etwas total Verrücktes zu tun.
    »Ja, du Dummi. Füchse. Die Tiere.« Ich zog die Nase kraus und hob die Hände ans Gesicht. »Rot. Schlau. Fressen Kaninchen. Füchse, du weißt schon, oder?«
    »Okay. Füchse. Die Tiere. Was ist mit denen?«
    »Willst du welche sehen?«
    »Hier?« Zach sah sich um. »Im Central Park?« Ein Mercedes fuhr vorbei. Vier Fahrräder mitsamt Fahrern in grell fluoreszierenden Farben schossen vorbei.
    »Ja, hier. Komm mit«, sagte ich und lief in langsamerem Tempo los. »Folge mir!«, hauchte ich heiser und sog dabei den Fuchsgeruch ein und trennte ihn von all den anderen Gerüchen. Meiner. Zachs. Abgase. Gummi. Urin. Regen, der bald fallen würde. Ich verließ den Weg und begab mich tiefer in den Park hinein.
    Zach folgte.
    Als wir an den Fuchsbau kamen, führte ich uns entgegen der Windrichtung und hockte mich auf einen Stein, der hinter Büschen verborgen war.
    »Und jetzt?«, fragte Zach.
    »Jetzt warten wir.«
    »Aber ich sehe gar nichts.«
    Ich zeigte aus das Gestrüpp etwas weiter hügelabwärts. »Da drin ist ein Fuchsbau.«
    »Das sind doch nur Büsche.«
    »Und ein Fuchsbau.« Ich konnte nicht glauben, dass er das niedergetretene Gras nicht bemerkte oder den scharfen
Raubtiergeruch nicht riechen konnte. »Siehst du die weißen und brauen Dinger, die dort herumliegen?« Ich zeigte darauf.
    Zach nickte.
    »Knochen.«
    »Fuchsknochen?«, fragte Zach.
    »Nein, Knochen von Tieren, die sie gefressen haben. Vermutlich Streifenhörnchen oder Kaninchen. Obwohl sie meistens an die Mülltonnen gehen und unsere Reste fressen.«
    »Ist das wirklich dein Ernst? Dass es hier Füchse gibt?«
    »Ja! Schsch, jetzt. Warte. Du wirst schon sehen.«
    Zach ließ die Luft zwischen den Zähnen entweichen, aber er kauerte sich niedriger hin, sein Oberschenkel streifte meinen.
    Als der erste Fuchs herauskam, war es schon dämmerig. Er hielt die Schnauze in die Luft, orange und weiß mit glänzender Spitze und heraushängender Zunge.
    »Ohne Scheiß«, flüsterte Zach. »Ein Fuchs!«

NACHHER
    »Als wir dich letzten Dienstag vernommen haben, hast du gesagt, du hättest noch nie mit Zach gesprochen«, sagte Detective Stein.
    »Ja«, sage ich, weil ich genau das gesagt hatte. Ich mag es nicht, wenn die ihn »Zach« nennen. Sie haben ihn ja nicht
gekannt. Sie sollten ihn »Zachary« nennen, wie all die anderen Erwachsenen, die keine Ahnung haben.
    Es ist ein Hausbesuch. Obwohl wir in einer Wohnung wohnen. Einer winzigen Wohnung. Wir sind in der Küche. Mein Dad lehnt am Kühlschrank neben Detective Rodriguez, der wiederum an die Spüle

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