Luegnerin
nett.
Sie glauben wirklich, dass ich Zach getötet haben könnte. Ich mache eine Kopfbewegung, die halb Nicken, halb Kopfschütteln ist. Sie nehmen es als ein Ja.
»Warum hast du uns das nicht schon beim letzten Mal erzählt, dass ihr auch außerhalb der Schule befreundet wart?«, fragt Stein.
»Es war ein Geheimnis. Ich hatte versprochen, dass ich es keinem erzählen würde.«
»Ich bin sicher, dass Zach damit nicht die Polizei gemeint hat«, sagt Detective Rodriguez.
Nun ja, er ist aber tot, oder? Keiner seiner Wünsche hat jetzt noch etwas zu bedeuten. Meine Versprechen sind ebenso tot, wie er es ist. Ich will trotzdem nicht über ihn reden. Schon gar nicht mit denen.
Detective Stein beugt sich über den Küchentisch und starrt mich an. Es ist unheimlich. Ich wünschte, der Tisch wäre breiter. Ich wünschte außerdem, die Küche wäre größer. Oder dass wir ein Wohnzimmer hätten. Denn das ist bei uns Moms und Dads Schlafzimmer, in dem auch noch der Fernseher steht.
»Was habt ihr zwei so zusammen gemacht außerhalb der Schule?«, fragt Stein in einem Ton, der impliziert, dass wir etwas getan haben müssen, mit dem er nicht einverstanden wäre.
Ich schaue meine Mutter an. Sie drückt meine Hand noch fester. Dad nickt und lächelt.
»Wir sind gelaufen«, sage ich. »Training. Ich laufe gern.«
»Sie ist sehr schnell«, sagt mein Dad und klingt stolz.
»Wo seid ihr gelaufen?«, fragt Rodriguez.
»Vor allem im Central Park.«
»Wann hast du ihn zuletzt gesehen?«
»Freitagnacht.«
»Ihr seid nachts gelaufen?«, fragt Rodriguez, als wäre das so ungewöhnlich.
»Das tun doch viele«, sagt Dad in einem Tonfall, dem anzumerken ist, dass er Rodriguez für einen blöden Provinzler hält. Das ist einer von Dads liebsten Tonfällen. Stein wirft zur Abwechslung Dad einen bösen Blick zu, aber nur kurz, bevor er wieder mich damit bedenkt. Ich würde ihm gerne sagen, dass mir das nichts ausmacht, aber das würde ihn nur in der Meinung bestärken, dass es doch so ist.
»Ihr seid also zusammen gelaufen? Ihr habt nicht geredet oder seid eine Malzmilch trinken gegangen?«, fragt Stein.
»Wir sind gelaufen«, sage ich und frage mich, was wohl eine Malzmilch sein soll. Ich weiß, dass es keine Rolle spielt. Ich will nicht daran denken, dass sie glauben, ich hätte Zach umgebracht.
»Um welche Uhrzeit habt ihr an dem Abend mit dem Laufen aufgehört?«
»Ich bin mir nicht sicher«, sage ich. »Vielleicht so gegen neun, halb zehn?«
»War es irgendwie anders als eure normalen Laufrunden? «, fragt Rodriguez.
»Nein«, sage ich. »Wir haben Dehnübungen gemacht. Wir haben Sprints geübt. Und dann Langstrecke. Etwas mehr als zehn Meilen.«
»Zehn Meilen?«, fragt Stein. »Ach wirklich? Wie schnell
läufst du denn die Meile? Sechs Minuten?« Er denkt, dass ich lüge. Was das Laufen anbetrifft, lüge ich nie.
Sechs Minuten? Ich bin versucht, ihm zu sagen, dass ich immer unter fünf Minuten bleibe. Aber Dad hasst es, wenn ich angebe. Außerdem, wenn sie wissen, wie schnell ich wirklich laufe, dann verdächtigen sie mich nur noch mehr. » Wir sind ziemlich lange gelaufen«, sage ich.
»Ich hab Ihnen doch gesagt, dass sie gut ist«, sagt Dad.
»Unser Ziel waren 26«, füge ich hinzu.
»Das ist die Marathonlänge«, erklärt Dad, um ihnen zu zeigen, für wie blöd er sie hält. »26 Meilen, 385 Yards 1 .« Damit hilft er mir nicht.
»Als ihr an dem Abend mit Trainieren fertig wart«, sagt Rodriguez, »was habt ihr dann gemacht?«
»Wir sind nach Hause.«
»Seid ihr zusammen nach Hause gegangen?«
»Nein«, sage ich, obwohl es so war. »Er wohnt – wohnte – in Inwood und ich ganz hier drüben.«
»Und das war das letzte Mal, dass du ihn gesehen hast?«, fragt Rodriguez.
»Ja.«
»Kam er dir irgendwie beunruhigt vor?«, fragt Rodriguez und versucht, besorgt zu klingen.
»Nein.«
»Hat er gesagt, dass er sich mit jemandem treffen wollte? «
»Nein. Er hat gesagt, er wollte nach Hause.« Und er hat es nicht nur gesagt. Ich bin jeden Schritt mit ihm vom Park ganz bis nach Inwood gelaufen.
»Hat er dir je erzählt, dass er vor irgendetwas Angst hat?«
»Nein. Niemals. Ich glaube, er hatte vor überhaupt nichts Angst.«
»Oder vor irgendjemand?«
Ich schüttele den Kopf. Er hatte nicht mal Angst vor mir, im Unterschied zu fast allen anderen in der Schule. Die meisten von denen haben zu viel Angst, mir überhaupt nur in die Augen zu schauen. Als würden sie glauben, meine Lügen wären ansteckend. Oder
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