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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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die Beine, ziehe mir das Kleid über die Knie, umschlinge sie mit den Armen und lege mein Kinn darauf. Ich habe über das alles bislang nur mit der Polizei geredet.
    »Aber ihr seid nicht nur gelaufen«, sagt Sarah.
    »Zach ist schnell. Wie konntest du mit ihm mithalten?«
    »Ich bin auch schnell«, sage ich, erleichtert über Tayshawns Unterbrechung. Er macht ein skeptisches Gesicht Genau wie Sarah. » Wir sind im Park gelaufen. Manchmal sind wir den ganzen Weg von der Schule bis dahin gelaufen. «
    »Und was habt ihr sonst noch so gemacht?«, fragt Sarah. »Ich meine, ich und Zach, wir haben über Sachen geredet, waren mit unseren Freunden zusammen, sind ins Kino gegangen. So Zeug halt.« Ihre Augen füllen sich mit Flüssigkeit, aber sie fängt nicht an zu weinen. Ich weiß, wie sie sich fühlt. Dieses ganze Gerede über Zach lässt die wunden Stellen in mir anschwellen.
    »Ist das alles?«, fragt Tayshawn. » Weil, reden und ins Kino gehen und so, ist nicht die Hauptsache, wenn’s um meine Freundin geht.« Wer wohl diese Freundin ist? Sie ist nicht von unserer Schule.
    » Willst du alle Details wissen? Perversling!«, lacht Sarah.
»Klar. Wir haben geknutscht. Er war mein Freund. Hat er dir davon erzählt?«
    Tayshawn lächelt, aber er sagt nichts.
    »Hat er, oder? Scheiße. Und alle sagen, Mädchen wären Klatschtanten!«
    »Er hat nie was von Micah erzählt.« Tayshawn amüsiert sich. Er zwinkert mir zu.
    »Na toll«, sagt Sarah. »Ihr Liebesleben hält er geheim, aber meins nicht.«
    Im ersten Augenblick sage ich nichts, aber dann denke ich, warum nicht? Wir sind hier doch alle ehrlich, oder? »Es war ihm zu peinlich. Warum sollte er irgendjemandem von mir erzählen? Ihr habt ja gesehen, was alle gesagt haben, als sie es erfahren haben. Zuerst haben sie’s nicht geglaubt. Dann haben sie so getan, als würde ihnen schlecht. Weil, Zach und ich ? Niemals!«
    »Ich hab’s sofort geglaubt«, sagt Sarah. »Ich hab’s gehört und wusste es.«
    »Echt?«, frage ich. »Ich dachte, du hättest gesagt, ich wäre zu hässlich für ihn. Ich wäre wie ein hässlicher Junge, hast du gesagt.«
    »Hart«, meint Tayshawn.
    »Ich war sauer«, sagt Sarah. »Ich bin immer noch sauer.« Sie schaut mich nicht an.
    »Genau das haben alle gedacht«, sage ich. »Und sie denken es noch.«
    »Ich nicht«, sagt Tayshawn. »Ich finde nicht, dass du hässlich bist. Ich meine, du bist nicht schön oder so, aber hässlich? Nee.«
    »Danke«, sage ich mit einem Lächeln. Es fühlt sich seltsam an auf meinem Gesicht. Die Muskeln wissen fast
nicht, was sie zu tun haben. Sarah und Tayshawn lachen. »Es geht nicht darum, dass ich nicht hübsch bin. Das weiß ich. Es geht darum, dass ich ein Freak bin. Ich meine, sieh mich an und sieh dich an. Du trägst Make-up und gehst und sprichst normal. Sobald ich was sage, starren mich die Leute an. Du hast deine Haare total schön und locker und lang. Ich bin kurz geschoren.«
    »Ich wünschte, das könnte ich auch tun«, sagt Sarah. Aber ich weiß, dass sie lügt. Sie ist stolz auf ihre Haare. »Hast du eine Ahnung, wie lange ich dafür brauche?«
    Habe ich. Ich kann mir nicht vorstellen, so viele Stunden damit zu verbringen, es jeden Morgen auszukämmen. Aber mir gefällt ihr Look genauso gut wie ihr selbst. Ihre Lockenmähne fällt offen über den ganzen Rücken. Es sieht super aus.
    »Was, glaubst du, ist mit ihm passiert?«, fragt Tayshawn.
    Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich habe selbst schon so viel darüber nachgedacht und mir diese Frage gestellt. Aber ich weiß so wenig.

FAMILIENGESCHICHTE
    Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch bei den Oldies. Ich war noch sehr klein. Zu klein für zusammenhängende Sätze, aber schon auf den eigenen zwei Beinen unterwegs.
    Mein Vater hatte keinen Kontakt zu ihnen gehabt, seitdem
sein erstes Kind – ich – geboren worden war. Er beantwortete ihre Anrufe nicht und ließ Briefe ungeöffnet zurückgehen. Bis meine Mutter ihn schließlich dazu brachte, seinen Widerstand aufzugeben und mit mir zur Farm hinauszufahren, damit sie mich zum ersten Mal sahen. Sie begleitete uns nicht.
    Ich weiß noch, dass ich vorne auf dem Beifahrersitz saß, obwohl ich eigentlich auf den Rücksitz gehört hätte. Ich erinnere mich, dass ich mich aus den Gurten, die mich am Sitz festhielten, herausschlängelte, damit ich nach vorne krabbeln und über das Armaturenbrett hinweg zum Fenster hinaus auf die Bäume schauen konnte, die sich über unseren Wagen beugten, während

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