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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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gleich umbringt. Nur weil man sauer auf ihn ist. Ich glaube, sie haben keine Ahnung, was passiert ist. Was immer es war, es war …« Tayshawn hält inne, sucht nach dem passenden Wort.
    Sarah und ich beugen uns beide zu ihm.
    »Soviel ich gehört habe, war es mit einem Messer«, sagt Tayshawn. »Sein Gesicht war wohl so zerschnitten, dass man zuerst gar nicht wusste, wer es war.«
    Sarah hält sich die Hand vor den Mund.

    »Wenn das stimmt, wie haben sie dann herausgefunden, dass es Zach war?«, frage ich.
    »Der DNA-Test, den wir im Unterricht gemacht haben«, sagt Tayshawn. »Der war letzten Endes doch nicht so ganz sinnlos.«
    Ich denke an diese Unterrichtsstunde. Als alle auf ihre Zettel schauten, die ihnen sagten, wie schwarz oder weiß sie waren. Ich denke daran, dass Zach kein Wort gesagt hatte. Mich schaudert bei der Vorstellung, Zach könnte geahnt haben, dass seine Testergebnisse dazu verwendet werden würden, ihn eines Tages zu identifizieren. Meine liegen noch immer in meiner Schublade.
    »Was weißt du sonst noch?«, fragt Sarah.
    Tayshawn zuckt die Schultern. »Sie arbeiten daran. Er erzählt uns nicht viel, mein Onkel, meine ich. Er ist nicht in der Mordkommission. Aber er hört manches. Er hat Zach ein paar Mal getroffen und weiß, dass er mein bester Freund ist. Er erzählt mir so viel wie möglich.«
    »Zum Beispiel?«, fragt Sarah lauter. »Tut mir leid, aber ich weiß leider gar nichts. Seine Eltern wollen nicht mit mir reden. Seine Mutter weint nur, und sein Dad sagt, er weiß nichts. Ich habe ihnen meine Hilfe angeboten, aber sie sagen, dass ich nichts tun kann. Ich weiß, er ist ihr Sohn. Ich kann mir nicht vorstellen … Aber, ich meine, irgendwie doch.« Jetzt weint sie. Mascara-verschmierte Tränen laufen ihr übers Gesicht. »Ich hab ihn doch auch verloren. Ich hatte gedacht, wir wären für immer zusammen. « Sie schnieft, wischt sich übers Gesicht und verschmiert dabei ihr Make-up. »Ich weiß. Ich bin erst siebzehn. Ich weiß, dass die meisten Leute nicht für immer bei ihrem ersten Freund bleiben, schon gar nicht, wenn er
sie betrügt. Aber ich hab das wirklich geglaubt. Ich glaube es noch immer. Ich wusste ja nicht, dass er mich betrügt. Ich wusste nicht, dass da noch all die anderen Mädchen sind.«
    »Keine anderen Mädchen«, sagt Tayshawn. »Nur Micah.«
    »Woher willst du das wissen?«, fragt sie. »Von Micah hast du doch auch nichts gewusst! Dann könnte es doch auch massenweise andere Mädchen gegeben haben.«
    »Dann lass uns einfach mal nachrechnen«, schlägt Tayshawn vor. »Wie oft hast du dich mit ihm getroffen, Sarah?«
    Sarah schluckt. »Na, so ziemlich jeden Samstag- und Sonntagabend. Meistens auch freitags. Nach der Schule, wenn er kein Training hatte.«
    »Und in der Schule?«, fragt Tayshawn.
    Sarah nickt.
    »Und was ist mit dir, Micah?«
    »An den Tagen, wo wir Schule geschwänzt haben. Manchmal nach der Schule, aber nicht oft.«
    »Also wie oft pro Woche, Micah?«
    »Zwei, drei Mal. Manchmal auch nur einmal.«
    »Und ich«, ergänzt Tayshawn, »ich hab ihn beim Training gesehen und meistens am Freitag- oder Samstagabend, wenn irgendwo eine Party war. Was meinst du, wie viele Tage bleiben da noch?«
    Er schaut Sarah unverwandt an, die immer noch weint, aber nicht mehr so heftig und ohne zu schluchzen.
    »Ich glaube, wir hatten ihn so ziemlich rund um die Uhr im Auge«, sagt Tayshawn. »Niemals hätte er da noch eine Freundin haben können.«
    Ich weiß, dass er keine andere Freundin hatte. Ich hätte
sie an ihm gerochen, aber ich habe immer nur Sarah gerochen. Das erzähle ich ihnen aber nicht. Ich rieche sie beide sehr stark im Moment. Die Höhle wird wärmer und stickiger.
    »Das ist doch nachvollziehbar, oder?«, fragt Tayshawn Sarah. Er berührt leicht ihre Wange.
    Sie nickt. »Es ist aber trotzdem kein gutes Gefühl. Tut mir leid, Micah, aber, na ja, wie konntest du nur?«
    Sie starrt mich wütend an, so als wollte sie mich am liebsten schlagen. Ich weiß, dass ich stärker bin als sie, aber ich würde sie nicht daran hindern. Sie hätte ja recht, wenn sie mich schlägt.
    »Warum, Micah?«
    Ich weiß nicht, was ich ihr antworten soll. Ich kann ihr ja nicht sagen, dass ich eigentlich gar nicht an sie gedacht habe. Denn das habe ich schon, aber eben nicht so. Ich zucke die Schultern. Sarahs Gesichtsausdruck wird noch angespannter. »Es ist einfach so passiert«, erkläre ich ihr. »Ich hab nicht näher nachgedacht, und Zach, glaube ich, auch nicht. Wenn es

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