Luegnerin
Können auf dem Platz. Ich schätze, das muss wohl sein Trainer sein.
»Klar«, sage ich.
Überall ist es besser als hier.
NACHHER
Sarah sitzt draußen auf den Stufen der Kirche. Ihr ist ganz klar anzusehen, dass es ihr nicht gut geht, aber Tayshawn fragt sie trotzdem.
»Nein«, sagt sie und blickt zu uns auf. »Aber ich muss nicht spucken, falls du das meinst. Es war einfach zu viel dort drinnen.«
Sie trägt ebenfalls ein schwarzes Kleid. Es lässt sie älter wirken. Meins ist von meiner Mutter. Ihres vielleicht auch, überlege ich. Ihr Augen-Make-up ist verschmiert vom Weinen.
Tayshawn verlagert sein Gewicht von einem Bein aufs andere und wieder zurück. Ich verschränke die Hände und strecke hinter meinem Rücken die Arme aus.
» Wolltet ihr zwei gehen?«, fragt Sarah.
»Keine Ahnung«, sagt Tayshawn. »Ich kann Beerdigungen jedenfalls nicht ausstehen.«
» Wer kann das schon?«, bemerkt Sarah. »Ich kann da nicht wieder reingehen.«
Tayshawn nickt. Ich beiße mir auf die Lippe und weiß nicht recht, was ich sagen soll.
»Kann ich mit euch mitkommen?«, fragt sie.
»Klar«, sagt Tayshawn. » Wir hatten sowieso nichts Größeres vor.« Er zuckt die Schultern.
Wir hatten vor allem vor, nicht mehr dort drinnen zu sein. Weiter habe ich noch nicht gedacht. Ich denke an das Mal, als Zach und ich einmal ganz Manhattan Island der Länge nach durchquert hatten. Wir haben unten beim Battery Park angefangen und sind schließlich hier oben in Inwood angekommen. Also, nicht genau hier, bei dieser Kirche, sondern noch ein Stück weiter, am Broadway, bei der Brücke in die Bronx.
»Micah?«, fragt Sarah.
»Ja?«
»Hast du nichts dagegen, wenn ich mitkomme?«
»Nein«, sage ich und stelle fest, dass es wirklich so ist. Sie hat Zach besser gekannt, als ich es je konnte. Tayshawn war schon seit der Grundschule sein bester Freund. Die beiden sind die Menschen, die ihn am besten kannten. Und mit denen will ich zusammen sein. »Klar«, sage ich.
» Wir könnten ein Stück gehen«, schlägt Tayshawn vor. »Runter zum Park.«
Sarah nickt und steht langsam auf. An ihrer Schulter baumelt ein winziges schwarzes Glitzertäschchen. »Du wohnst hier in der Gegend, oder?«
»Ja«, sagt Tayshawn. »Hier im Viertel. Zach und ich, wir haben früher …«
Einen Augenblick lang ist das Gewicht von Zachs Tod einfach zu viel. Ich spüre, wie sich mir die Kehle und die Brust zusammenziehen.
»Ich könnte es euch zeigen, wenn ihr wollt.«
Sarah blinzelt weitere Tränen zurück. »Ja, bitte«, sagt sie.
FAMILIENGESCHICHTE
Einmal, als Dad mal schlecht drauf war, da hat er mir erzählt, dass sein Vater gar kein Franzose war.
Mom war mit dem Monster beim Fußball und Dad saß am Küchentisch und versuchte zu arbeiten. Als er mit dem Schreiben nicht vorankam, wurde er niedergeschlagen.
Ich war in die Küche gegangen, um mir ein Glas Saft zu holen. Ich überlegte, ob ich laufen gehen sollte. Dad blickte auf, und ich wusste sofort, dass er mir sein Herz ausschütten würde.
»Ich bin extra nach Marseille gefahren«, erzählte er mir ohne jede weitere Begrüßung. »Ich habe versucht, ihn zu finden. Ich hab an die Tür von jeder einzelnen schwarzen Familie in dieser Stadt geklopft, und das sind weit mehr, als man meinen könnte.«
Okay, dachte ich. Er redet also von seinem Dad. Ich überlegte, wie er wissen konnte, dass er wirklich an alle ihre Türen geklopft hatte.
»Meine Mutter hat mich angelogen«, sagte er. » Wieder mal.«
Ich lehnte mich gegen das Waschbecken. »Vielleicht ist er weggezogen?«
»Ha!« Dad schaute mich an, als wäre ich verrückt geworden.
»Ich hab einen Brief gefunden. Auf der Farm. Der war auf Englisch, nicht auf Französisch – amerikanisches Englisch. Und er war gerichtet an: ›My darling Hope‹. Deine Großmutter heißt Hope mit Vornamen«, erklärte er mir unnötigerweise. »Der Brief fragte nach ihrem Kind – nach mir. Es war davon die Rede, wie sehr mein Dad meine Mom vermisste. Wie sehr er sich wünschte, das Baby im Arm zu halten – mich im Arm zu halten!« Dads Augen füllten sich mit Tränen. »Der Brief war unterschrieben mit › All Yers Always‹. Sonst gab es keinen anderen Namen, es sei denn, mein Dad hieß Always oder Yers Always . Auf jeden Fall wurde der Brief ganz sicher nicht von einem Franzosen geschrieben.«
»Oh«, sagte ich.
»Ich hab den Brief meiner Mutter unter die Nase gehalten. Und weißt du, was sie gesagt hat?«
Er schaute mich fragend an. Ich schüttelte den
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