Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Tochter ist wirklich besonders reizend. Ist ihre Mutter Italienerin oder Französin?«
Auf diese Frage bin ich gar nicht vorbereitet. Was sage ich denn jetzt? Lieber so dicht wie möglich an der Wahrheit bleiben. Wo kam Carla gleich noch mal her?
»Halbitalienerin. Ihre Mutter kommt aus Palermo.«
»Dann ist sie bestimmt temperamentvoll, oder? Stammt die Aufnahme von einem Aufenthalt auf dem Ponyhof?«
Mann, Franca will es aber genau wissen. Das kann ja heiter werden.
»Das ist in Hagenbecks Tierpark«, antworte ich und hoffe, dass sie damit aufhört, mich über Lucia auszuquetschen. Und dass man im Hamburger Zoo wirklich Ponyreiten kann.
Am späten Nachmittag haben wir unser Ziel erreicht: Mallorca. Das Can Naranja im Norden der Insel ist ein liebevoll geführtes kleines Fincahotel in der Nähe des Tramuntana-Gebirges. Während wir an der Rezeption nach dem Besitzer klingeln, ertönt vom Garten lautes Blöken und zartes Glockengeläut.
»Hola, que tal?«, begrüßt uns Juan Perez und schlägt das Gästebuch auf. Einen Computer gibt es hier nicht, deshalb habe ich telefonisch reserviert. Nachdem wir unsere Namen genannt und die Personalausweise über den Tresen aus dunklem Olivenholz geschoben haben, überreicht Juan uns je einen Schlüssel. An meinem baumelt ein getöpferter Mond, an dem von Franca eine Sonne. Wir haben getrennte Zimmer. Meines liegt zur Bergseite, Francas zum Pool.
»Juan hat ein gutes Gespür für seine Gäste. Das Himmelbett würde wirklich nicht zu dir passen«, grinst Franca, nachdem ich ihren Koffer hineingetragen und mich umgesehen habe. In der Tat - vor uns steht ein breites, einladendes Bett aus dunklem Holz mit gedrechselten Säulen, behangen mit hellem Baumwollstoff. Ich muss schwer an mich halten, Franca nicht in die Arme zu nehmen und sie auf das seidene, cremefarbene Laken zu befördern.
Doch ich widerstehe der Versuchung und gehe in mein Zimmer. Es ist genauso hübsch wie Francas, nur weniger üppig dekoriert. Während ich die Klamotten in einem antiken Holzschrank verstaue, mache ich mir meine Situation noch einmal ganz bewusst.
Ich verbringe den Urlaub mit einer fast völlig Fremden.
Es gibt eine Menge Frauen, die Franca (oder mir) die Augen auskratzen würden, wenn sie wüssten, dass ich bereits zwei Wochen nach dem ersten Date mit ihr gemeinsam Ferien mache - während sie selbst noch nicht einmal ein ganzes Wochenende mit mir durchboxen konnten.
Da ich kein schlechtes Gewissen kriegen will, wische ich diesen Gedanken beiseite und widme mich stattdessen der Körperpflege. Schließlich will ich gut duften, wenn Franca und ich …
Während ich mich einseife und das Haar shampooniere, übe ich den Satz, der meine Beichte einleiten soll: »Es tut mir leid, dich gleich an unserem ersten Abend auf dieser traumhaften Insel mit einem Thema konfrontieren zu müssen, das dir bestimmt nicht gefallen wird …«
O mein Gott! Geht es noch umständlicher?
Wie wäre es also mit: »Franca, ich bin nicht der, für den du mich hältst.«
Oder: »Franca, wir müssen reden!«
Wie ich es auch drehe und wende, ich fühle mich unwohl.
Genau betrachtet, ist es eine Unverschämtheit von mir, ihr an einem Ort, den sie nicht ohne Weiteres verlassen kann, die Wahrheit zu sagen. Ich selbst würde ausflippen und mit der nächsten Maschine zurückfliegen, wenn sie dasselbe mit mir machen würde. Vielleicht ist es doch klüger, meine Beichte zu verschieben. Schließlich ist Franca auch hier, weil sie Erholung braucht. Ich will nicht daran schuld sein, dass dieser Kurztrip für sie zum Horrortrip wird. Vielleicht lasse ich die Dinge am besten auf
sich beruhen und spreche erst mit ihr, wenn wir wieder in Hamburg sind.
Ich beginne, vor Erleichterung zu pfeifen, was ich im Übrigen sonst nie tue, weil ich es nicht besonders gut kann. Aber hier hört mich ja keiner.
Und dann werden meine armseligen Versuche plötzlich von anderen Geräuschen übertönt: Es gurgelt, es zischt, es blubbert - und plötzlich ist es still. Noch nicht einmal das Rauschen des Wassers ist zu hören, was unter anderem daran liegt, dass es auch gar nicht mehr läuft. Toll! Nun stehe ich in der Duschwanne, Haare und Körper eingeschäumt, und habe kein Wasser, um mich abzubrausen.
Was mache ich denn jetzt?
Ein viel zu kleines Handtuch um die Hüften gebunden, hüpfe ich Richtung Zimmer, eine Schaumspur hinter mir herziehend. Mein nasses Haar tropft auf den mit alten Steinfliesen bedeckten Boden, während ich Ausschau nach
Weitere Kostenlose Bücher