Luegst du noch oder liebst du schon Roman
dringen, heute nichts und niemand stört, kann ich mich ungehindert meinem aktuellen Problemthema widmen. Die Frage des Tages lautet: Soll ich, oder soll ich nicht … Oliver endlich sagen, dass ich ihn angeschwindelt, die Existenz meines Sohnes geleugnet und außerdem noch behauptet habe, eine erfolgreiche, gut verdienende Karrierefrau zu sein?
Dummerweise fällt mir keine Antwort ein. Das Sitzen am Bettrand hilft mir nicht weiter.
Funktioniert diese Form der Kontemplation womöglich nicht bei Himmelbetten? Wäre es vielleicht besser, Licht ins Zimmer zu lassen und auf der Terrasse frische Luft zu schnappen?
Gedacht - getan. Ich öffne die Läden, durch die in der lauen Frühsommernacht nur ein Hauch von Mondschein gedrungen war, und versenke mich in den Anblick, der sich mir bietet: Friedlich liegt der Pool vor mir, Sonnenstrahlen tanzen wie winzige Irrlichter auf dem Wasser hin und her. Blätter eines knorrigen Olivenbaums treiben auf der Oberfläche wie kleine silberne Boote. Eine Libelle nähert sich dem türkisfarbenen Nass und fliegt schließlich wieder surrend davon. Am Beckenrand krabbelt ein Marienkäfer.
»Pass auf, dass du nicht ins Wasser fällst«, sage ich leise.
Außer mir scheint noch keine Seele auf Can Naranja wach zu sein, wie schön! Ich ziehe rasch meinen Badeanzug an und gehe barfuß zur Treppe, die in den Pool führt. Die Nacht war offenbar kühl, denn die Steine des Fußbodens sind kalt.
Um niemanden zu wecken, lasse ich mich so langsam und leise wie möglich in das Schwimmbecken gleiten. Nicht nur der Beckenrand ist kalt, das Wasser ist es auch. Ich erhöhe die Schlagzahl meiner Armbewegungen und versuche, das Klappern meiner Zähne zu unterdrücken. Nach dem anfänglichen Schock entspanne ich mich allmählich und genieße diesen ungewohnten Luxus.
Natürlich gehe ich häufig mit Sammy schwimmen, bin aber meist eher damit beschäftigt, ihn vor dem Ertrinken
zu bewahren oder von unerlaubten Sprüngen vom Zehnmeterbrett abzuhalten, als selbst in Ruhe meine Bahnen zu ziehen. Da ich in diesem Becken nicht auf entgegenkommende Schwimmer achten muss, drehe ich mich auf den Rücken, spiele »Tote Frau« und schaue gedankenverloren in den mallorquinischen Sommerhimmel …
Der vergangene Abend mit Oliver in Palma war geradezu surreal. Beim Abendessen am Hafen musste ich mich immer wieder selbst in den Arm kneifen, um mir klarzumachen, dass ich nicht in einem Film mitspiele, sondern alles real ist. Schon lange habe ich kein so ausführliches und intelligentes Gespräch mehr geführt, von einigen »Sternstunden« mit Mia abgesehen. Oliver erzählte äußerst amüsant von seiner anfänglichen Begeisterung für die Psychotherapie und seinem jetzigen Leben als freier Autor. Offenbar scheint die Buchbranche ähnlich kompliziert zu sein wie Pressearbeit, denn sein letztes Buchprojekt wurde nach einer Präsentation vor dem Außendienst aus dem Programm gekippt.
»Morgenstund hat Gold im Mund, nicht wahr?«, ertönt auf einmal eine Stimme neben mir. Erschrocken schnelle ich hoch und komme zum Stehen. Besonders tief ist der Pool nicht.
»Guten Morgen, Oliver«, antworte ich und hoffe, in meinem Badeanzug eine halbwegs passable Figur zu machen.
»Darf ich?«, fragt er höflich. Er sieht in seiner dunkelblauen Badehose wirklich gut aus.
»Klar, komm rein«, antworte ich - was soll ich auch anderes sagen, der Pool gehört mir ja nicht.
Ich bin immer noch verlegen, wenn wir zusammen sind, denn auch der gestrige Abend hat trotz aller Romantik nicht geklärt, in welchem Verhältnis wir eigentlich zueinander stehen. Bin ich für ihn nur eine willkommene Abwechslung oder ein Trosthäppchen nach einem geplatzten Buchvertrag? Will er mich auf Beziehungstauglichkeit testen? Hat er sich unsterblich in mich verliebt?
»Na, worüber denkst du nach, du siehst so ernst aus«, schmunzelt Oliver, und ich fühle mich ertappt. Kann der Mann Gedanken lesen?
»Ich habe überlegt, was ich gleich zum Frühstück essen möchte«, schwindle ich und setze mich wieder in Bewegung.
»Wie wär’s mit einem Kuss? Der ist süß, hat aber keine Kalorien«, fragt Oliver mit kokettem Lächeln.
Ich schmelze dahin, erst recht, als er mich aus dem Wasser hebt, mich durch die Luft schwenkt und schließlich an sich zieht. Meine Beine umschlingen seinen Körper, meine Hände seinen Nacken. Sein Kuss ist so süß, so zärtlich - ich kann mich kaum zurückhalten.
»Hast du Lust, nach dem Bad mit mir zu duschen?«, fragt Oliver,
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