Luegst du noch oder liebst du schon Roman
nicht. Ich möchte nicht, dass zehn durchgedrehte Kids durch die Wohnung toben, Cola umwerfen und Schokoküsse in meine Polster schmieren. Ich will keine heulenden Gören, die plötzlich statt Würstchen und Pommes frittierte Garnelenschwänzchen haben wollen, weil sie das gerade irgendwo gesehen haben. Ich will nicht, dass …«
»Schon gut, schon gut«, lenkt Ralf beschwichtigend ein. »War ja nur so ein Gedanke.«
Ja, ein komplett bescheuerter!
»In Anbetracht der Tatsache, dass ich bald eh nicht mehr hier sein werde, übernehme ich alle Kosten. Hast du irgendeine Idee, was wir Sammy sonst noch schenken könnten?«
Ja, einen anwesenden, liebevollen Vater!
»Ein neuer Trainingsanzug wäre super. Aus seinem alten ist er so gut wie rausgewachsen.«
Nachdem ich Sammys Größe, seine Farb- und Markenpräferenz durchgegeben habe, einigen wir uns schließlich darauf, dass Vater und Sohn besser gemeinsam einkaufen gehen. Ich selbst habe nicht den Nerv dazu, denn unser letzter Besuch in einem dieser Sport-Megastores ist mir noch bestens im Gedächtnis.
Während ich nach guten (und erschwinglichen) Turnschuhen für ihn Ausschau gehalten habe, vergnügte sich mein Sohn zuerst damit, sämtliche Pappbecher des Wasserspenders zu füllen, sie großzügig an die anwesenden Besucher zu verteilen und dann den Bildschirm für Online-Bestellungen durch massives Traktieren außer Gefecht zu setzen. Die Geschäftsführerin und ich standen uns eine geschlagene halbe Stunde wie Kampfhennen gegenüber und diskutierten lautstark die Frage, ob man einen Touch-Screen auf diese Weise überhaupt ruinieren kann.
»Man kann«, lautete die Meinung der Oberzicke, »wenn man nur lange genug auf allen Buttons herumdrückt.«
»Man kann nicht«, kam meinerseits Gegenwehr, »schließlich sagt doch das Wort ›Touch‹, dass man das Ding anfassen soll.«
Entnervt streckte ich irgendwann die Waffen und bot an, mit meiner Haftpflichtversicherung über den Fall zu sprechen, bis zu guter Letzt ein strahlender Ritter in Gestalt eines Technikers auftauchte, einmal den Stecker zog, neu bootete und damit den Ursprungszustand wiederherstellte.
»Schatz, du kannst deinen Geburtstag in der Spielstadt feiern«, erzähle ich Sammy und hoffe auf Freudengeheul. Doch das bleibt aus, stattdessen will er wissen, was es zum Abendessen gibt.
»Hast du denn wirklich Hunger?«, wundere ich mich. Besäße ich Röntgenaugen, würde ich in seinem Bauch bestimmt einen Mix aus Popcorn, Eis, Lollys, Salzstangen, Chips und Schokoküssen finden.
»Ich möchte Pizza«, fordert er, und ich mag gar nicht darüber nachdenken, ob Sammy nicht vielleicht irgendwann an Vitaminmangel sterben wird. Bis zu seinem sechsten Lebensjahr war er in dieser Hinsicht ungewöhnlich pflegeleicht. Viele Kindergartenmütter beneideten mich glühend darum, dass er widerspruchslos (wenn nicht sogar gern) Obst, Salat und sogar Gemüse aß. Die Wende ereilte ihn und damit mich kurz nach der Einschulung. Keine Ahnung, weshalb.
Seitdem rede ich mit Engelszungen auf ihn ein, versuche, ihn mit allen möglichen Tricks zu überreden, stelle Belohnungen in Aussicht, lobe ihn, wenn er sich dazu durchringt, Kohlrabigemüse zu essen, und zwinge ihn,
zumindest ein Multivitaminpräparat in Saftform zu sich zu nehmen, was mir aber meist nur einmal pro Woche gelingt.
»Nein, Sammy, für heute hattest du genug …« (am liebsten würde ich Schweinkram sagen) »… Junkfood. Wenn du Hunger hast, mache ich uns schnell einen Salat.«
»Aber den muss ich schon bei Papa immer essen«, mault Sammy, und ich horche verwundert auf. Mein Sohn isst bei Ralf und Britta widerstandslos Salat?
»Äh, und was denn für einen?« Jetzt will ich es aber genau wissen.
Sammy neigt den Kopf zur Seite und fährt sich mit dem Zeigefinger über die Nasenspitze, wie Wickie der Wikinger es immer macht, bevor er eine bahnbrechende Idee über die Mattscheibe in die Zuschauerwelt posaunt.
»So mit Thunfisch … und Salat … und Gurke … und Scampi … und Muscheln …«
Scampi, Thunfisch, Muscheln? Ich glaub, ich hör nicht recht. Ich habe ja schon Mühe, meinem Sohn Fischstäbchen unterzujubeln, damit er wenigstens ab und zu Omega3-Fettsäuren zu sich nimmt, und bei seinem Vater isst der Junge Meeresfrüchte? Und kann sogar ihre Namen fehlerfrei aussprechen?
Bevor ich mich in Rage denke oder gar rede, entschließe ich mich zu einem Kompromiss: Penne Rigate mit (frischer!) Tomatensoße und (frischem!) Basilikum. Das geht
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