Luegst du noch oder liebst du schon Roman
passieren? Wenn er mich nach kurzer Zeit nervt, hält mich nichts davon ab, den nächstbesten Flieger nach Hamburg zu besteigen.
Und vor Streitereien ist man auch innerhalb einer langjährigen Beziehung nicht gefeit, wie ich aus bitterer Erfahrung mit Ralf weiß. Wir haben uns nie so häufig und heftig gestritten wie im Urlaub. Selbst unsere Trennung haben wir auf Malta beschlossen, als ich dahintergekommen war, dass er schon seit Monaten eine Affäre mit Britta hatte.
»Ich rufe nachher bei Oliver an und melde mich morgen bei dir, in Ordnung? Und Mama - herzlich willkommen daheim, ich freue mich, dass du wieder da bist!«
Nach dem Telefonat beaufsichtige ich Sammys Abendtoilette und kann ihn sogar dazu überreden, Elmex Gelee zu benutzen. Dass er kein ganz so kleines Kind mehr ist, merke ich daran, dass ich ihm nicht mehr ständig die Geschichte von Karius und Baktus erzählen muss, während er sich die Beißerchen schrubbt. Außerdem braucht er mittlerweile keinen Hocker mehr, um an das Waschbecken heranzukommen.
Es lässt sich nicht verleugnen, Sammy wird immer älter - und ich leider auch. Meine Mutter hat absolut recht: Das Leben ist zu kurz, man muss es genießen und Gelegenheiten wie diese beim Schopf packen!
18
Es ist, was es ist, sagt die Liebe
OLIVER KRAMER - MONTAG, 7. JUNI
So aufgeregt war ich zuletzt als kleines Kind an Weihnachten. Ich stehe am Hamburger Flughafen und verrenke mir schier den Hals nach Franca, die schon seit zwanzig Minuten überfällig ist. Wenn sie nicht gleich hier auftaucht, wird es knapp mit dem Check-in. Und meiner Geduld.
Wo bleibt sie denn? Versetzt sie mich etwa in letzter Minute?
Endlich sehe ich in der Menge der Reisenden ihren brünetten Haarschopf neben einer Blondine. Wogen der Erleichterung überfluten mich.
»Hallo, Franca, hallo, Mia«, begrüße ich die beiden Freundinnen so lässig wie möglich. Keiner soll wissen, dass ich vorhin tatsächlich so etwas wie Angst verspürt habe.
»Amüsiert euch gut und kommt gesund wieder!«, sagt Mia, umarmt Franca und schüttelt mir zum Abschied die Hand. »Ich muss los, Halteverbot«, ruft sie, während sie davoneilt.
Ich gebe Franca einen Kuss auf die Wange und dirigiere
sie zum Flugschalter. Während die Dame vom Bodenpersonal unsere Koffer wiegt und abklärt, wo wir gern sitzen möchten, pocht mein Herz schneller (und vermutlich lauter), als mir lieb ist. Franca sieht allerdings auch ein wenig verunsichert aus, als sie sich zwischen Fensterund Mittelplatz entscheiden muss.
Eine knappe Stunde später befinden wir uns über den Wolken und haben uns seltsamerweise nichts zu sagen. Franca blättert im Bordmagazin, und ich kämpfe mit dem fülligen Herrn rechts neben mir um die Armlehne.
Vielleicht war das doch keine so tolle Idee?, überlege ich und male mir entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten die schlimmsten Sachen aus.
Vielleicht ist die Finca, in der wir uns eingemietet haben, doch nicht so schön wie gedacht?
Vielleicht spielt das Wetter plötzlich verrückt?
Vielleicht mag ich Franca nach zwei Tagen nicht mehr?
Vielleicht wünscht sie mich jetzt schon zum Teufel?
»War Lucia denn schon mal so lange bei Dominic und Carla?«, fragt Franca und reißt mich aus meinen gedanklichen Schreckensszenarien, kurz bevor ich bei Flugzeugabstürzen, Unfällen mit dem Mietwagen oder Naturkatastrophen ankomme.
»Na klar, schließlich wohnt sie ja bei de…«, hebe ich an, bis mir wieder einfällt, dass Lucia ja meine Tochter ist und demzufolge bei mir wohnen müsste. »Also, sie ist häufiger bei den beiden, wenn ich keine Zeit habe, und fühlt sich dort wie zu Hause.«
»Wirst du sie vermissen?«
Ich krame nach meinem Portemonnaie - diesmal habe
ich schlauerweise daran gedacht, ein Foto meiner Patentochter einzustecken.
»Schau mal! Auf diese Weise trage ich sie immer bei mir. Auf diesem Foto … und natürlich in meinem Herzen. Außerdem wollen wir jeden Tag telefonieren.« Ich reiche Franca ein Bild. Lucia sitzt lachend auf einem Pony und winkt in die Kamera, dabei entblößt sie eine kleine Zahnlücke. Ihre dunklen Haare sind zu Zöpfen geflochten, sie sieht aus wie eine kleine italienische Prinzessin.
»O mein Gott, ist die niedlich«, ereifert sich Franca, und ich befürchte, dass sie vor Begeisterung gleich aufspringt und allen anderen Passagieren das Foto zeigt.
»Ich wusste gar nicht, dass du so auf Kinder abfährst«, antworte ich kopfschüttelnd. Franca erstarrt.
Ȁh, tu ich gar nicht, aber deine
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