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Luegst du noch oder liebst du schon Roman

Titel: Luegst du noch oder liebst du schon Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Fischer
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Hilfe halte. Leider ist in der Vitell-Flasche, die ich am Flughafen erstanden habe, kaum mehr etwas drin. Meine Augen suchen den durch Fensterläden abgedunkelten Raum ab und fahnden nach einem Telefon.
    Fehlanzeige!
    Auf Can Naranja lebt man im Einklang mit der Natur. Hektisch krame ich nach meinem Handy, doch der Akku ist dummerweise leer. Außerdem hätte ich die Telefonnummer von Juan auch gar nicht griffbereit. Nun bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als zur Rezeption zu gehen und ihn persönlich darüber zu informieren, dass es kein Wasser mehr gibt. Also schlüpfe ich in meine
Jeans und ein T-Shirt und trete auf meine kleine Terrasse … und blicke in zwei quietschgelbe, fiese Augen, die mich mustern wie ein Serienkiller sein Opfer.
    Ich zucke zusammen, auch wenn es albern ist, Angst vor einer Ziege zu haben.
    Das Vieh steht unbeweglich vor mir, fixiert mich und senkt schließlich den Kopf.
    Nun sehe ich, dass es sich bei dem Tier nicht um ein weibliches, sondern ein männliches Exemplar handelt. Zumindest legen die gebogenen Hörner diesen Verdacht nahe.
    »Hola«, grüße ich jovial und trete einen Schritt nach rechts.
    Der Bock leider auch.
    Ich überlege fieberhaft, was ich über die Ziegenspezies weiß, und trete nach links.
    Der Bock tut es mir gleich. »Hau ab zum Fressen«, fordere ich ihn auf. »Oder geh spielen. Mir egal, was du tust, aber hau ab!«
    Den letzten Teil des Satzes sage ich in scharfem Tonfall.
    Der Ziegenbock gibt daraufhin einen meckernden Laut von sich und trabt auf mich zu.
    Ich weiche erschrocken zurück und flüchte mich in das Innere des Zimmers. Mit zitternden Händen schließe ich die Lamellentür und hoffe, dass sie stabil genug ist, um das aggressive Vieh aufzuhalten. Hilflos muss ich miterleben, wie das Biest wiederholt mit den Hörnern gegen die Tür stößt und meckert, als wolle es damit all seinen Kumpels zurufen: »Kommt, hier ist ein mieser
Tourist, der unsere Ruhe stört. Lasst ihn uns gemeinsam auf die Hörner nehmen!«
    »Oliver?«, vernehme ich auf einmal eine Frauenstimme. »Oliver, bist du noch da drin? Ich glaube, da will jemand was von dir.«
    Leises Kichern.
    O nein! Steht da etwa Franca vor der Tür und bekommt mit, wie ich mich vor einer gemeinen Hausziege verstecke? Ich reiße die Tür auf und lächle mein breitestes Lächeln, obwohl das tropfende Shampoo mittlerweile mein T-Shirt nahezu komplett durchnässt hat.
    »Ah, da bist du ja! Ich wollte nur wissen, ob du auch kein Wasser hast. Ich hätte angerufen, aber es gibt kein Haustelefon und dein Handy war aus.«
    Verwundert sieht Franca an mir herab, während die Ziege ihren Kopf an ihrer Hüfte reibt.
    »Okay, du hast auch kein Wasser, wie mir scheint«, lacht Franca und streichelt den Bock. Dann schnuppert sie an ihrer Hand. »Puh, der stinkt vielleicht!«
    Ach was …
    »Ich gehe mal eben zu Juan und gebe Bescheid. Soll ich dir solange eine Flasche Wasser bringen? Ich habe noch eine.«
    Der Ziegenbock sieht plötzlich aus, als hätte er sich unsterblich verliebt. Seine kalten, kleinen, fiesen Augen haben mit einem Mal etwas Warmes, Weiches.
    »Magst du Ziegen?«, will ich irritiert wissen, statt Francas Frage zu beantworten. Fassungslos werde ich Zeuge, wie schmusig sich dieses ekelhafte Tier auf einmal gebärdet.

    »Eigentlich nicht«, antwortet Franca. »Als ich zuletzt mit Sammy im Zoo war, fand ich auch …« Irre ich mich, oder wird sie gerade rot? Ist es ihr peinlich zuzugeben, dass sie Ziegen mag - oder dass sie im Zoo war? Doch die Beantwortung dieser Frage interessiert mich nicht halb so sehr, wie die, wer Sammy ist.
    »Wer ist Sammy?«, frage ich folgerichtig, und nun hat es Franca mit einem Mal sehr eilig. Sie schubst den Bock sanft beiseite, was dieser mit einem meckernden Protestlaut quittiert, und eilt dann in ihr Zimmer.
    Eine Minute später bin ich im Besitz einer fast vollen Wasserflasche und der Information, dass Franca mich in einer halben Stunde, falls die Dusche wieder funktioniert, abholen wird. Auf dem Weg zur Rezeption folgt ihr der Ziegenbock wie ein Schoßhündchen. Ich sehe den beiden kopfschüttelnd hinterher.
    Hoffentlich verhält es sich bei diesem Tier nicht so wie mit dem Schwan auf dem Aasee im Münsterland, der sich unsterblich in ein Tretboot in Schwanengestalt verliebt hat und nicht verstehen will, dass ein Boot nicht der geeignete Umgang für ihn ist.
    Ich grinse bei dem Gedanken an diese abstruse Geschichte - wo die Liebe so hinfällt!
    Unter dem Eindruck dieser

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