Luegst du noch oder liebst du schon Roman
schnell, ist gesund und nebenbei auch noch gut für meine Figur.
Während Sammy mit erstaunlichem Appetit, aber schweigsam die Nudeln in sich hineinschaufelt, denke ich über Olivers Vorschlag nach. Die Aussicht darauf, ein paar Tage mit dem Mann meiner Träume auf einer Sonneninsel zu verbringen, ist natürlich mehr als verlockend. Aber auch komplett unrealistisch.
Selbst wenn ich das Geld dazu hätte - wo sollte ich Sammy unterbringen und wie könnte ich das mit meinem Job vereinbaren? Oder vielmehr mit meinen beiden Jobs?
Denn seit heute Vormittag habe ich hochoffiziell einen 400-Euro-Job in der Kanzlei von Dr. Julius Humbert. Am ersten August ist mein erster Arbeitstag.
Mitten in das Abendessen hinein klingelt das Telefon. Ich lasse den Anrufbeantworter anspringen, denn ich habe es mir zur Regel gemacht, die Mahlzeiten mit meinem Sohn ungestört einzunehmen.
»Juhu, Schätzchen, juhu, Häschen«, jubelt es durch den Flur in die Küche hinein. Es ist meine Mutter. Nun gibt es bei Sammy trotz aller Regeln kein Halten mehr, denn er liebt seine Oma über alles. Ich folge ihm ins Wohnzimmer und beobachte gerührt, wie er das Telefon nimmt und den grünen Knopf drückt.
»Oma«, kreischt er begeistert und erzählt sofort, dass er seinen Geburtstag in der Spielstadt feiern wird. Nach einer halben Stunde wirren Geplappers verlange ich, meine Mutter zu sprechen. Sammy hockt sich auf den Boden und verfolgt unser Gespräch mit großen Augen.
»Hallo, Mama, wie geht’s?«, eröffne ich das Gespräch, froh, ihre Stimme endlich mal wieder näher als
aus tausend Kilometer Entfernung zu hören. Den größten Teil des Jahres gondelt sie nämlich durch die Weltgeschichte. Ein wenig neidisch lausche ich ihren Erzählungen über eine Reiseroute, die einem Globetrotter alle Ehre machen würde. Mit ihren zweiundsechzig Jahren ist Hilda Melzer fit wie ein Turnschuh und genauso sprunghaft.
»Kindchen, du musst unbedingt mal nach Hawaii. Und nach Tonga. Dort sind alle dick und lustig, es würde dir gefallen«, tönt es launig aus dem Hörer, während mir durch den Kopf geht, dass ich mich schon über ein Wochenende auf Fehmarn freuen würde.
»Und was gibt es Neues an der Herrenfront?«, erkundigt sie sich nach meinem - üblicherweise nicht vorhandenen - Liebesleben.
Umso mehr freut es sie, als ich zaghaft den Namen Oliver fallen lasse und erwähne, dass er gern mit mir verreisen würde. Zum Glück hat Sammy sich mittlerweile in sein Zimmer getrollt, und ich kann in Ruhe sprechen.
»Aber Schätzchen, dann mach das doch! Das Leben ist kurz, man muss es genießen, solange es geht.«
Das stimmt prinzipiell, aber meine Mutter weiß noch nicht, wie es derzeit um meine Finanzen bestellt ist.
»Ich passe auf Sammy auf, und du machst dir ein paar richtig schöne Tage mit deinem Oliver.«
Hm, das wäre - zumindest was die Betreuung meines Sohnes anbetrifft - eine wirklich tolle Lösung. Mama könnte im Gästezimmer wohnen und Sammy zur Schule bringen, ihm bei den Hausaufgaben helfen, Essen für ihn kochen …
»Das ist wirklich lieb von dir. Aber wenn ich ganz ehrlich sein soll, habe ich momentan nicht das Geld für solche Späße. Ich musste mir gerade einen Zweitjob suchen, weil sie meine Stunden bei Pure-Nature gekürzt haben.«
Meine Mutter schweigt, ein Moment von Seltenheitswert!
»Dann bekommst du das Geld eben von mir«, verkündet sie mit fester Stimme, die jegliche Gegenwehr von vornherein ausschließt. »Ich hatte sowieso vor, dir einen größeren Betrag als Schenkung zukommen zu lassen. Es nützt ja niemandem, wenn du nach meinem Ableben dem Finanzamt Erbschaftssteuer in den Rachen schmeißen musst. Dafür haben dein Vater und ich schließlich nicht so hart gearbeitet.«
Nach meinem Ableben. Wie das klingt! Beim Gedanken daran, dass meine Mutter irgendwann nicht mehr da sein wird, bildet sich augenblicklich ein Kloß in meinem Hals. Da bin ich nicht anders als Sammy, der sich regelmäßig der Tatsache versichert, dass ich immer, immer und immer für ihn da sein und nie, nie, nie sterben werde.
»Schätzchen, nun sträub dich nicht, sondern freu dich lieber, dass ich genau zum richtigen Zeitpunkt wiedergekommen bin und glücklicherweise noch nicht dein ganzes Erbe auf den Kopf gehauen habe. Also: Wann soll’s losgehen?«
Tja, wann? Wenn es nach mir ginge, gleich morgen früh. Aber kann ich es wirklich riskieren, mit einem Mann zu verreisen, den ich im Grunde kaum kenne?
Andererseits: Was kann schon groß
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