Luegst du noch oder liebst du schon Roman
mit dem ich im Alter auf einer Parkbank sitzen und gemeinsam über Arthritis klagen kann.
Je länger ich über alles nachdenke, desto sicherer werde ich. Die Chance mit Oliver will ich mir keinesfalls entgehen lassen. Ich werde mich wie eine Erwachsene benehmen und mich bei ihm melden!
Weil mir das Laden meines Handys eindeutig zu lange dauert, steige ich aus dem Bett und wanke Richtung Wohnzimmer, um das Festnetz-Telefon zu holen.
Mein Gott, ist mir schwummerig und schwindlig. Alles dreht sich - gleich wird mir schlecht! Dabei will ich doch jetzt Oliver anrufen und ihn fragen, ob wir eine gemeinsame Zukunft haben.
Mit zitternden Händen wähle ich die Nummer, die ich mittlerweile auswendig kenne, doch erreiche nur den Anrufbeantworter. Als endlich der Piepton erklingt, schaffe ich es gerade noch, die Leitung zu unterbrechen, bevor mir schwarz vor Augen wird und ich auf dem Boden zusammensacke.
»Kind, wach auf!«, höre ich meine Mutter besorgt sagen und versuche, meine Augen zu öffnen. »Wieso bist du denn nicht im Bett geblieben?«, fragt sie vorwurfsvoll.
Weil ich den Mann meiner Träume anrufen und ihm einen Heiratsantrag machen wollte …
»Ich dachte, es ginge mir schon besser, und ich könnte mit Mia telefonieren«, schwindle ich und rapple mich hoch.
»Hier, trink erst mal die Cola, die bringt deinen Kreislauf wieder in Schwung«, befiehlt meine Mutter und setzt mir ein Glas an die Lippen, während sie meinen
Rücken stützt. Widerstandslos leere ich das Glas und lasse mich erschöpft ins Bett zurücksinken.
In diesem Moment klingelt das Telefon.
»Es ist Mia. Willst du sie sprechen?«, fragt meine Mutter und reicht mir den Apparat, als ich nicke.
»Hallo«, sage ich matt, lausche zunächst den Genesungswünschen meiner Freundin und dann den Schilderungen ihrer Suche nach dem idealen Ort für die Hochzeitsfeierlichkeiten. So richtig aufmerksam höre ich ihr allerdings erst zu, als sie erzählt, dass sie Oliver an Bord des Mississippi-Dampfers getroffen hat.
»Was?!« Ich lasse vor Aufregung beinahe den Hörer fallen. »Mit wem war er da?«
Meine Fantasien schießen ins Kraut - natürlich kann Oliver nur in Begleitung einer wahrhaft anbetungswürdigen, schönen, erfolgreichen und vor allem windpockenfreien Frau gewesen sein.
Mia lacht, als ich diese Vermutung äußere.
»Es stimmt. Sie war anbetungswürdig, irgendwie auch schön und hatte keine Pockennarben, soweit ich erkennen konnte. Sie hatte eine Vorliebe für Softeis und eine dringende Verabredung mit dem Kapitän. Außerdem ist sie großer Pippi-Langstrumpf-Fan und nennt Oliver seit Neuestem nur noch ›Kleiner Onkel‹. Kurzum: Ich hatte das Vergnügen, Lucia kennenzulernen.«
Ich bin neidisch! Da liegt man mal ein paar Tage krank im Bett, und schon passiert so etwas. Ich hätte die Kleine auch gern getroffen!
»Und wie ist sie?«, frage ich - schließlich will ich ja wissen, was mich in Zukunft (hoffentlich!) erwartet.
»Sehr, sehr hübsch - man sieht ihr die italienische Mama an. Außerdem scheint sie einen starken Willen zu haben. Ich denke, dass sie auch frech werden kann.«
Aha!
»Ich soll dich übrigens von Oliver grüßen.«
Plötzlich wird mir klar, dass Mia ihn bereits gestern Nachmittag getroffen haben muss und er es bis jetzt nicht für nötig gehalten hat, sich bei mir zu melden, obwohl er weiß, dass ich krank bin.
»Hat er sonst noch was gesagt?«, frage ich piepsig.
»Nein, eigentlich nicht, denn Lucia zerrte ihn förmlich zum Kapitän … deshalb hatte ich übrigens auch keine Gelegenheit, ihm zu erzählen, dass du die Windpocken hast.«
Binnen Sekunden ist meine Welt wieder in Ordnung. Oliver weiß gar nicht, dass ich krank im Bett liege, sondern denkt, dass ich irre viel zu tun habe.
Habe ich ja auch - denn ich will schnellstmöglich wieder gesund werden! Außerdem muss ich wirklich wieder mal arbeiten!
Nach dem Telefonat bin ich allerdings zu erschöpft, um auch nur im Entferntesten daran zu denken, irgendwelche Redakteure anzurufen, um ihnen zu erzählen, dass das Lipgloss von Pure-Nature ab sofort in kleinen Tiegeln verkauft wird anstatt wie bisher in Form eines Stiftes. Mal davon abgesehen, dass ich krank bin, habe ich eh nicht die geringste Ahnung, wie ich die Beauty-Presse davon überzeugen soll, dass diese Umstellung ein echter Gewinn für die Konsumentin ist. Leider sehe ich nämlich überhaupt keinen Vorteil darin, künftig das
klebrige Gloss mit dem (womöglich unsauberen) Finger aus dem
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