Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Stimme.
»Violett ist die Farbe der Meditationspraxis«, erklärt sie mir in leisem Singsang, der mich vermutlich gleich in Schlafes Arme sinken lassen wird. Aber vielleicht ist das
ja auch Sinn und Zweck der Übung. »Violett hilft bei der Innenschau und geistiger Vertiefung. Es kann leidvolle Erfahrungen in spirituelles Wachstum transformieren.«
Mein Herz klopft vor Aufregung. Bedeutet das etwa, dass ich den Flop mit Franca in etwas Positives umwandeln kann? Vielleicht sogar in ein Date mit Samira?
Okay - dann wollen wir uns nun voll und ganz der Farbe Violett hingeben und uns transformieren lassen. Mir soll’s recht sein!
»Schau geradeaus, konzentrier dich auf das, was dir wichtig ist, und atme tief in den Bauch.«
Ich schaue geradeaus und atme. Doch nicht in den Bauch, sondern wie sonst auch in den Brustkorb.
»Und nun folgst du den Bewegungen meines Fingers!«
Großer Gott! Samira wird mich doch nicht etwa hypnotisieren? So haben wir nicht gewettet.
Ich sehe einen violetten Finger, der in die Ferne deutet.
Jetzt bloß nicht an die Szene bei E. T. denken, in der der kleine Außerirdische nach Hause telefonieren will!
»Meine Hand weist Richtung Unendlichkeit. Denk an dein Thema, und mach dir klar, dass es im großen Universum nur ein klitzekleines Staubkorn ist, so wie du auch. Und nun sprich mir nach: Ich lasse mein Problem los und übergebe es dem großen Universum!«
»Ich lasse mein Problem los und übergebe es … äh, wie war das noch mal?«
»Dem großen Universum«, antwortet Samira geduldig, während ich plötzlich müde werde. Meine Beine sind schwer, mein Kopf fühlt sich an wie in Watte gepackt, und ich würde gern die Augen schließen. Darf ich
aber nicht, weil ich ja durch dieses violette Dingsda gucken soll.
»… und übergebe es dem großen Universum«, vervollständige ich brav den Satz.
Darf ich jetzt bitte, bitte schlafen? Nur ein kleines bisschen?
»Wie spät ist es?«, frage ich und reibe verwundert meine Augen. Ich bin tatsächlich weggedöst. Hoffentlich nicht zu lange, denn das wäre ein reichlich kostspieliges Nickerchen.
»Ein Uhr«, antwortet Samira, immer noch lila. Ob ich jetzt endlich diese dämliche Brille absetzen kann?
»Und wie fühlst du dich?«
Tja, was soll ich sagen? Wie nach einem Mittagsschlaf. Ein wenig benommen, aber glücklich.
Ich antworte:
»Befreit.« Denn allmählich habe ich das Bedürfnis zu gehen. Bekomme ich nun eine Eins in Kinesiologie?
»Gut«, lächelt Samira zufrieden, nimmt mir die Brille ab und dirigiert mich zum Schreibtisch.
»Das macht dann zweihundertvierzig Euro. Zahlst du bar oder mit EC-Karte?« Willkommen in der Wirklichkeit!
Nachdem ich ihr meine Karte gereicht und eine Unterschrift geleistet habe, bringt Samira mich zur Tür. »Also, Oliver, es war nett, dich wiederzusehen. Vielleicht ja demnächst wieder bei Wrage?«
Die gute Nachricht ist, sie hat mich doch erkannt. Die schlechte: Das mit dem Date scheint nicht zu klappen.
»Oder zu einem Abendessen im Balutschi?«
Wow - die Transformation hat funktioniert. Kinesiologie ist toll!
»Gern«, antworte ich und gewinne allmählich meine Souveränität zurück.
»Morgen Abend, zwanzig Uhr?«
»Das passt. Ich reserviere.«
Zur Belohnung gibt Samira mir einen flüchtigen Kuss auf die Wange und winkt mir, während ich in meinen Wagen steige.
Als ich zu Hause ankomme, fühle ich mich zwar noch ein bisschen benebelt, aber angenehm entspannt. Diese Behandlung war super! Meine Gefühle für Franca sind wie weggeblasen, wie auch immer Samira das bewerkstelligt hat.
Während ich mir einen Espresso koche, um wach zu werden, höre ich den Anrufbeantworter ab, auf dem Dominic eine Nachricht hinterlassen hat: »Ruf mich so schnell wie möglich zurück, ich habe eine sensationelle Information über Franca, die dich interessieren dürfte …«
33
There’s a soulmate for everyone
FRANCA PETERS - SAMSTAG, 3. JULI
»Tschüss, mein Großer, amüsier dich gut, und sei lieb zu Oma«, ermahne ich Sammy, als er in den Wagen von meiner Mutter steigt, um zusammen mit ihr nach Hohwacht an der Ostsee abzudüsen.
»Genieß deine Freiheit, und melde dich, wenn du weißt, wann du nachkommen kannst«, sagt meine Mutter und schließt die Fahrertür. Ich stehe noch eine Weile am Straßenrand und winke den beiden nach, obwohl sie längst aus meinem Blickfeld verschwunden sind.
Zurück in der Wohnung räume ich den Tisch ab, an dem wir bis eben noch zu dritt gefrühstückt haben.
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