Luegst du noch oder liebst du schon Roman
Zauberhand ist da plötzlich ein Kondom, und diesmal gibt es weder Angst noch Scham, noch
ein Zimmermädchen, das uns stört. Nur Tobias und mich und unsere beiden Körper, die wie füreinander gemacht sind.
Mia hat recht: Sex ist wie Rad fahren - man verlernt ihn nicht!, denke ich glücklich und zufrieden, als ich später in seinen Armen liege und aus dem Fenster schaue.
Ob es Tobias ebenso geht? Bin ich die Erste, die er nach dem Tod seiner Frau berührt hat?
Unter normalen Umständen würde mich das alles brennend interessieren und ich hätte ihn Löcher in den Bauch gefragt. Doch heute fühle ich nichts als Ruhe und Entspannung. Die Zeit der Aufregung ist vorbei. Ich liege hier mit einem wunderbaren Mann, und alles ist gut.
Ich brauche keine Aufregungen, keine Unsicherheiten, kein Hin und Her. Ich brauche keinen Mann wie Oliver, der nur mit mir spielt wie mit einem Ball.
Wer hätte gedacht, dass nach der Liebespleite mit ihm so eine schöne Erfahrung auf mich wartet? Im Grunde genommen kann ich ihm nur dankbar sein: Ohne ihn hätte ich Tobias keine Chance gegeben.
34
Der Schein trügt
OLIVER KRAMER - SAMSTAG, 3. JULI
Ich erwache aus einem Albtraum und fühle mich, als sei ein Bus über mich hinweggebrettert. Benommen schaue ich auf die Uhr - es ist schon kurz vor zwölf.
Ich setze mich auf, schiebe mir ein zweites Kissen in den Rücken und blinzle in den neuen Tag, der so unschön begonnen hat. In Sachen Traumanalyse bin ich zwar kein Experte, weil ich die Seminare über C. G. Jung oft geschwänzt habe, trotzdem ist mir klar, wer hinter dem Steuer meines Traumbusses gesessen hat: keine Geringere als Franca Peters.
Franca, von der ich seit gestern Abend weiß, dass sie Mutter eines knapp neunjährigen Sohnes namens Sammy ist. Oder habe ich das nur geträumt?
Nein, natürlich nicht!
Einen doppelten Espresso später sitze ich immer noch im Bett und denke darüber nach, was Dominic mir gestern Abend erzählt hat, auch wenn das - O-Ton - »Gegen meine Schweigepflicht verstößt, wie du ja weißt«. Doch in Anbetracht der besonderen Umstände hat er seinen Ehrenkodex über Bord geworfen.
»Ich wollte ein bisschen ausmisten, weil wir vielleicht bald in andere Räume umziehen werden«, hat er umständlich mit seiner Erklärung begonnen, während mir das Herz beinahe in die Hose rutschte. Was für eine Information war so wichtig, dass Dominic dafür seine Schweigepflicht verletzte?
»Und dabei habe ich eine vier Jahre alte Akte in die Finger bekommen, die einen gewissen Samuel Peters betrifft. Der war damals knapp fünf, und seine Eltern Ralf und Franca lebten in Scheidung.«
Zunächst hatte ich es nicht glauben wollen und war mit Dominic alle Möglichkeiten einer Verwechslung durchgegangen. Doch nachdem wir akribisch alle Namen, Daten und schließlich die Adresse von Samuel abgeglichen hatten, bestand kein Zweifel mehr: Franca hat mich die ganze Zeit belogen!
»Aber wieso hat sie dich nicht erkannt, als wir uns in der Daniela Bar getroffen haben?«, habe ich in Anspielung auf die zufällige Begegnung zwischen Dominic und Franca eingewandt, doch auch dafür gibt es eine vollkommen plausible Erklärung.
»Ganz einfach, Samuel war nur zweimal in meiner Praxis, weil ich in dieser Zeit Urlaubsvertretung für seinen Therapeuten gemacht habe, und beide Male wurde er von seinem Vater begleitet.«
»Und weshalb war Samuel in Behandlung?«, fragte ich und befürchtete das Schlimmste.
»Wegen der üblichen Symptome bei einer Trennung der Eltern: Bettnässen, Albträume, starker innerer Rückzug, erhöhte Aggressivität …«
O mein Gott, der arme kleine Kerl!, war mein erster Gedanke. Der zweite: Das muss auch für Franca eine schwere Zeit gewesen sein!
Nachdem ich Dominic hoch und heilig versprochen hatte, ihn nicht zu verraten, legten wir auf - ich musste diese verwirrende Nachricht schließlich erst einmal verdauen.
Und nun überlege ich immer noch, was ich von alldem halten und wie ich Francas Rolle in dieser Geschichte bewerten soll. Hat sie mich belogen, weil es ihr peinlich war, zuzugeben, dass sie ein Kind hat? Oder hatte sie nur Spaß an diesem Spiel und wollte austesten, wie lange es gut geht?
Nun urteile nicht so hart, du warst schließlich selbst keinen Deut besser!, ermahne ich mich in regelmäßigen Abständen, was mich trotzdem nicht daran hindert, stinksauer zu sein.
Sehe ich etwa so aus, als könne man mir die Wahrheit nicht zumuten? Wirke ich wie ein Mann, der sofort Reißaus
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