Luftschlösser
Freundin Verlass war, fiel Persephone todmüde in ihr Bett.
Nach dieser Nachtschicht schlief sie so tief und fest, dass nichts und niemand sie hätte wecken können. Persephone hätte auch nicht geweckt werden wollen, denn alles fühlte sich plötzlich so wunderbar leicht und locker an, wurde von wärmender Sonne überstrahlt und roch nach Meerwasser. Sie hörte das tiefe Lachen eines jungen Mannes, fühlte warme Haut und Haar, aus dem Salzwasser tropfte. Ganz klar, sie waren in den Hamptons, auf einem ihrer häufigen Wochenendausflüge. Es war herrlich, so unbekümmert mit Charly im Sand herum zu toben! Selbst er war ausnahmsweise mal nicht der coole Kerl, der er immer so gern sein wollte, sondern genoss einfach den Sommertag.
„Aaaahhh!” Persephone stöhnte lang gezogen. Ihr rechter Arm fühlte sich pelzig und ungefähr so groß wie ein Tennisschläger an. Nicht das schon wieder! Sie hatte so ungünstig gelegen, dass ihre Hand und ihr gesamter Unterarm eingeschlafen waren. Nur widerwillig setzte sie sich in ihrem Bett auf und schaute auf die Uhr. 10:32 Uhr zeigte das Display. Egal, ihr blieb noch genügend Zeit, sich um Charlys neue Behausung zu kümmern. Charly... Sie erinnerte sich an Bruchstücke ihres Traums, die Wärme, die Vertrautheit. Von einer Sekunde auf die nächste verflog die gute Laune, die Persephone aus ihrem Traum herübergerettet hatte. Seit Jahren hatte sie nicht von ihren gemeinsamen Ausflügen mit den Mannings geträumt. Und es auch nicht gewollt. Nie wieder.
Es dauerte eine ausgiebige Dusche samt Kriegsbemalung vor dem Badezimmerspiegel lang, bis Persephone sich wieder im Griff hatte. Selbst mit ihren rudimentären Psychologiekenntnissen war leicht zu erklären, weshalb ausgerechnet dieser Traum sie heimgesucht hatte. Die Begegnung mit ihrem alten Bekannten hatte sie aufgewühlt und verunsichert. Sie hatte einen kaltschnäuzigen Karrieremenschen erwartet, der immer noch Witze über ihren Namen machte. Was sie stattdessen bekommen hatte, war der Anblick eines attraktiven Mannes, der sich krampfhaft um beste Manieren und ausgesuchte Höflichkeit bemüht hatte. Keine Witze. Keine unangebrachte Bemerkung. Persephone wusste nicht, ob sie darüber enttäuscht oder erleichtert sein sollte. Wahrscheinlich keines von beidem. Mit Gleichgültigkeit war sie immer am besten gefahren.
***
„Hi, Boss! Harry hat gerade den Kostenvoranschlag für das Apartment deines schnuckeligen Mr Manning gemailt”, begrüßte Trish ihre Vorgesetzte mit einem verdächtigen Strahlen im Gesicht.
„Hi. Seit wann ist das ein Grund für unbändige Freude?”, erwiderte Persephone mit einer skeptisch hochgezogenen Augenbraue. Sie kannte ihre Sekretärin. Wenn sie so breit grinste, führte sie etwas im Schilde.
„Ich habe etwas nachgedacht und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass du bei einem so großen und wichtigen Auftrag jede Hilfe brauchst, die du kriegen kannst. Wie wäre es also, wenn du mich künftig zu deinen Besprechungen mit Mr Yum-Yum Manning mitnimmst?” Trish strahlte immer noch.
Obwohl Persephone gut mit ihr befreundet war, fehlte ihr der Sinn für den mädchenhaften Zusammenhalt, über den Frauenzeitschriften bei Freundinnen immer berichteten. Der Vorschlag leuchtete ihr demnach auch überhaupt nicht ein, es sei denn, die Arbeit an dem Penthouse sollte nur ein Vorwand für Trishs Flirtversuche sein.
„Wozu sollte das gut sein?”
Trish verdrehte die Augen. Ihre Freundin hatte so gar keinen Sinn für die schönen Dinge des Lebens!
„Boss, es ist doch so, dass du ständig mit deinen Messgeräten, Farbkarten, Stoffproben und Gott-Weiß-Was durch die Räume rennen und zwischendurch die Arbeiter zusammenstauchen wirst.”
„Woher...”, wollte Persephone protestieren, doch ihre Sekretärin unterbrach sie sofort wieder.
„Weil das immer so ist. Dann ist da noch der Hausherr, dem du allerhand Fragen stellen wirst, richtig?”
Ein langsames Kopfnicken.
„Und genau deshalb wirst du mich dabei brauchen. Selbst eine Persephone deWinter hat nur zwei Hände und ein Gehirn, auch wenn einige Menschen etwas anderes behaupten. Ich könnte alle deine Anweisungen im Handumdrehen in einem netten kleinen Notizblock festhalten und mich ganz nebenbei an Mr Mannings knackigem Hintern weiden.” Sie sah, dass ihre Chefin die Stirn missbilligend in Falten zog und setzte ihren wirkungsvollsten Hundeblick ein. „Bittebittebitte, Perry!”
Persephone überlegte sich ihre Antwort nicht wirklich
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