Lukianenko Sergej
noch Dürre,
Überschwemmung und die königlichen Steuereintreiber!
Aber der Baron ist klug.«
Er schubste die Jungen leicht gegen die Tür und wartete,
bis sie im Zimmer waren und die Riegel von innen vorgelegt hatten. Erst dann ging er wieder.
Als Erstes tastete Trix auf dem Tisch nach dem Kerzenhalter und einer geschnitzten Schale mit Schwefelhölzern. So weit ging die Sparsamkeit des Barons doch
nicht, dass seine Gäste im Dunkeln hocken mussten.
Beim dritten Anlauf – die neumodischen Hölzer brachen
ständig, zischten, verglommen und verbreiteten stinkenden
Schwefelrauch, wollten aber auf keinen Fall brennen –
schaffte er es, die Kerzen anzuzünden.
Verärgert blickte er Ian an. »Darf ich mich in Anwesenheit Seiner Durchlaucht setzen?«
»Was kann ich denn dafür?«, fragte Ian aufgebracht.
»Habe ich mich etwa um die Rolle gerissen?! Das haben
wir alles dem Baron zu verdanken!«
Dagegen ließ sich schwerlich etwas sagen.
»Der Erbe des Co-Herzogs bin ich«, erinnerte ihn
Trix. »Weißt du, warum der Baron dich Trix genannt hat?
Damit die Meuchelmörder, falls es solche unter der Dienerschaft gibt, dich töten und ich davonkomme.«
»Aber ich will nicht ermordet werden!«, jammerte Ian.
»Selbst wenn du dann davonkommst!«
»Hohlkopf! Für seinen Herrn zu sterben ist eine Ehre!«
»Aber Ehre interessiert mich nicht!« Ian ging vorsichtshalber von der Tür weg.
»Jetzt lässt sich das nicht mehr ändern.« Trix zuckte
die Achseln. Er sah aufs Bett. »Wahrscheinlich sollte ich
lieber auf der Bank schlafen. Und du im Bett. Falls es in
der Wand eine geheime Öffnung gibt, durch die eine
Giftnatter ins Bett kriechen kann. Oder in der Decke ein
Loch, durch das man dem Gast geschmolzenes Pech auf
den Kopf gießt. Warum bist du denn so bleich?«
Da klopfte jemand an die Tür, und Ian wechselte
prompt die Farbe, von Weiß zu Rot. »Mach nicht auf!«,
flüsterte er. »Trix, bitte!«
Trix schlich auf Zehenspitzen zur Tür. Er lauschte.
»Wer ist da?«, fragte er leise.
»Thor Galan«, antwortete eine harte Stimme. »Öffne,
Trix!«
Trix sah seinen Knappen an, breitete die Arme aus und
schob den Riegel zurück.
Es war wirklich der Baron. In der einen Hand hielt er
einen Kerzenhalter mit fünf Kerzen, in der anderen eine
Flasche. Der Wein, den er beim Essen getrunken hatte,
hatte sein Gesicht gerötet, trotzdem war Galan erstaunlich munter. Kaum war er im Zimmer, schloss er die Tür
hinter sich, gab Ian den Kerzenhalter und die Flasche und
schloss Trix fest in die Arme. Der keuchte auf. Gleich
darauf hielt der Baron den Jungen ein Stück von sich und
sah ihm ins Gesicht. »Ich erkenne dich«, sagte er. »Ich
erkenne den Adel. Ich bin froh, dass du am Leben bist,
mein Junge.«
Trix seufzte erleichtert. Er warf Ian einen stolzen
Blick zu und sagte: »Meine Eltern sind tot. Der gemeine
Co-Herzog Gris …«
»Ich weiß.« Der Baron setzte sich schnaufend an den
Tisch. Er schielte zu Ian hinüber und brummte: »Was
stehst du rum, Knappe? Gieß den Herren Wein ein!«
Ian machte sich hektisch auf die Suche nach Bechern.
»Dein Vater war immer viel zu romantisch, Trix«, fuhr
der Baron fort. »Die Romantik wäre eine wunderbare Eigenschaft, wenn man es dabei nicht an Wachsamkeit mangeln ließe. Aber deine Mutter hat mich überrascht. Gift zu
trinken, sich einen Dolch in den Leib zu rammen und aus
dem Fenster zu springen! Das nenne ich edles Blut!«
»Erdolcht hat sie sich auch noch?«, fragte Trix. Ian
hatte endlich zwei Zinnbecher gefunden und goss den
beiden Wein ein.
»Also mit dem Dolch, da hat sie sich nur gekratzt.«
Galan runzelte die Stirn. »Aber alle Formalitäten eines
Hohen Todes hat sie beachtet. Drei edle Arten, sich das
Leben zu nehmen, durchgeführt in der richtigen Reihenfolge. Sie hat meinen Respekt. Ich hätte mich nicht aus
dem Fenster gestürzt, ich habe Höhenangst … Also, Trix,
auf deine Gesundheit!«
Sie tranken vom Wein, und selbst Trix mit seiner geringen Erfahrung fiel auf, dass der Inhalt dieser Flasche
wesentlich besser war als der Wein beim Essen.
»Was gedenkst du jetzt zu tun, junger Mann?« Der
Baron wischte sich über den Bart und sah Trix neugierig
an.
»Ich will den Regenten Hass um Hilfe bitten«, sagte
Trix. »In meiner unendlichen Dankbarkeit würde ich Dillon die Grenzgebiete schenken, um die es so lange Streit
gab …«
»Meinst du vielleicht die Gebiete, die der hochverehrte
Herzog Gris heute Morgen Dillon übereignet hat?«, fragte
der Baron.
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