Lukianenko Sergej
»Bei der Gelegenheit hat er übrigens verlautbaren lassen, allein die Sturheit des toten Mitherrschers
habe ihn daran gehindert, den Streit schon früher beizulegen.«
Trix’ Miene verfinsterte sich. Trotzig reckte er den
Kopf in die Höhe. »Ich werde schon etwas finden, was
ich Dillon anbieten kann! Es sind edle Menschen, die
sich der Willkür widersetzen werden.«
»Der Regent Hass ist nicht sonderlich edel. Er ist gierig und klug, aber nicht edel.« Galan nahm einen weiteren Schluck Wein. »Und die Prinzessin Tiana hat noch
nichts zu sagen. Und wenn die Heiratspläne, die der Regent für sie schmiedet, in Erfüllung gehen, wird das auch
so bleiben.«
Der Baron holte aus der Tasche seines Wamses einen
großen grünen Apfel, rieb ihn am Ärmel ab und teilte ihn
demonstrativ in zwei Teile. Die eine Hälfte gab er Trix,
in die andere biss er selbst hinein.
»Aber was soll ich dann tun?«, fragte Trix.
»Nichts«, antwortete der Baron. »Kein Baron wird es
wagen, dir zu helfen. Dafür ist Hass zu bedeutend. An
König Marcel kommst du nicht ran, abgesehen davon
wird er sich nicht über Hass hinwegsetzen und in kleine
Streitereien einmischen.«
»Aber Ihr habt mich doch auch anerkannt!«, sagte
Trix. »Baron, alle wissen, dass Ihr ein kluger Mann seid,
man wird Eurem Beispiel folgen.«
»Ich bin kein Dummkopf, das stimmt«, erwiderte der
Baron. »Iss deinen Apfel, Trix. Du bist es nicht gewöhnt,
Wein zu trinken – und meiner ist stark. Aber ich habe
nicht dich anerkannt, sondern deinen Gefährten. Du bist
aus dem Waisenhaus, mein Junge?«
»Ja«, sagte Ian, der leise an den Tisch herangetreten
war. »Ich bin der Knappe, ich wollte mich nicht für Trix
ausgeben.«
»Das wirst du müssen.« Der Baron warf den Apfelrest
weg. »Es würde mich teuer zu stehen kommen, wenn ich
dir helfen würde, Trix. Wenn Gris erfährt, dass ich den
echten Erben bei mir aufgenommen habe, muss ich mich
auf einiges gefasst machen. Gegen seine Armee bin ich
machtlos. Vergiss auch die Meuchelmörder nicht oder
die Zauberer, die Unheil wirken. Angeblich steht Gris
sogar mit dem Teufel im Bunde. Deshalb bin ich gut beraten, deinen Gefährten aufzunehmen und so zu tun, als
hielte ich ihn für den echten Trix.«
»Wieso das?«, fragte Trix.
»Wozu hast du eigentlich einen Kopf!« Der Baron
schien etwas ungehalten über Trix’ Begriffsstutzigkeit.
»Ein falscher Trix bedeutet für Gris keine echte Gefahr,
ich aber kann ihn mit etwas Geschick als Trumpf ausspielen, sodass Gris sich auf ein paar kleine Kompromisse
einlassen muss. Wir streiten uns da um einige Auen …«
Der Baron winkte kurz mit der Hand. »Aber das tut
nichts zur Sache. Irgendetwas werde ich schon für mich
rausschlagen. Dein Knappe kann gern ein halbes Jahr bei
uns bleiben, von mir aus auch ein ganzes.«
»Und dann?«, fragte Ian verängstigt.
»Keine Angst!« Der Baron lächelte. »Sobald Gris auf
meinen Vorschlag eingeht, werde ich verkünden, dass du
bloß ein lausiger Herumtreiber bist. Der Form halber
wird man dich auspeitschen, aber ich werde den Folterknecht bitten, es nicht zu übertreiben. Wenn du danach
wiederhergestellt bist, gebe ich dich bei einem guten
Meister in die Lehre. Oder du kommst in meinem Hundezwinger unter. Magst du Hunde?«
»Sehr.« Ian strahlte.
»Wunderbar«, sagte der Baron. »Dann hätten wir das
geklärt.«
»Und ich?«, jammerte Trix.
»Richtig, was machen wir mit dir«, sagte der Baron.
»Glaube mir, Trix, wenn ich die Möglichkeit hätte, dir zu
helfen, würde ich das tun. Aber die habe ich nicht. Deshalb …«
Trix wartete ängstlich, was nun kommen würde. Ian,
der hinter Galan stand, zuckte ratlos mit den Schultern.
»Deshalb werde ich dir Proviant geben, damit steigt du
in dein Boot und fährst weiter. Am besten nach Dillon.
Das ist eine große und reiche Stadt, wo ein kluger Waisenjunge immer Arbeit findet. Abgesehen davon werde
ich dir einen Empfehlungsbrief mitgeben. Darin heißt es,
du seist der uneheliche Sohn eines Verwandten von mir.
Wer will, kann es sogar so verstehen, dass du mein Neffe bist. Du kannst lesen und schreiben und noch ein paar
andere nützliche Dinge. Der Brief ist schon in Arbeit.
Damit kommst du bei jedem Kaufmann unter, glaub
mir. Der Rest hängt von dir ab. Du verdienst Geld,
steigst als Kompagnon in ein Geschäft ein, fährst zur
See, baust ein Haus, heiratest die Tochter deines Seniorpartners … Am besten suchst du dir einen verwitweten Kaufmann ohne Söhne, dafür
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