Lukianenko Sergej
kleines Fass mit silbrigem Pulver in die
Hand und Tiana eine Knatter am Stock, die sie drehen
sollte. Was die Knatter mit den Alchimisten zu tun hatte,
war Trix schleierhaft.
Je näher die Delegation der Schlossmauer kam, desto
mehr lärmte sie. Die Böller explodierten, die bengalischen Feuer loderten, Knallerbsen sprangen übers Pflaster, Feuerschmetterlinge stiegen in die Luft. Die Gesellen
schenkten den Frauen auf dem Platz Fässchen mit bunten
Farben, den Männern Fläschchen mit Tinte, den Kindern
Buntstifte. Kurz und gut, die Alchimisten taten alles, um
die Herzen der Städter zu gewinnen.
Vor dem Tor zum Schlossgelände blieb die Delegation
stehen. Der Königliche Majordomus ging den Alchimisten feierlich entgegen. Dabei folgte er einer alten Tradition, blickte stur auf den Boden und tat so, als sehe er niemanden. Er trug ein altmodisches Wams mit funkelnden
Knöpfen, hatte einen prachtvollen Hut auf und hielt in
der rechten Hand einen mit Schnitzereien verzierten
Stock aus glänzendem Ebenholz.
»Die Untertanen wollen zu ihrem König!«, verkündete
der Alchimist mit der Rakete am Stock mit schnarrender
Stimme.
Der Majordomus ging am Tor entlang und tat so, als
höre er nichts.
»Die Untertanen wollen zu ihrem König!«, wiederholte
die ganze Delegation im Chor.
Abermals reagierte der Majordomus nicht.
Die drei ältesten Alchimisten hoben die Arme – und
daraufhin rief die Delegation mit Verstärkung von den
Schaulustigen auf dem Platz: »Die Untertanen wollen zu
ihrem König!«
Hätten die Zuschauer die Delegation nicht unterstützt,
wäre diese es nicht wert gewesen, zum König vorgelassen zu werden und seine Zeit zu stehlen. Aber natürlich
unterstützte die Menge die Delegation immer. Schließlich bestand sie zur Hälfte aus den Frauen, Kindern und
Angehörigen der Gildemitglieder.
Auf den dritten Ruf reagierte der Majordomus. Er hob
den Kopf, sah die Alchimisten mit gespielter Verwunderung an und sagte: »Eins, zwei …«
»Drei, vier!«, antworteten die Alchimisten im Chor.
Der Majordomus schüttelte den Kopf, als habe er
sich jetzt verzählt. »Eins, zwei …«, fing er noch einmal an.
»Drei, vier!«, antworteten die Alchimisten abermals.
»Wer da?«, fragte der Majordomus streng.
»Die Klügsten!«, antwortete einer der drei Ältesten.
»Die Kühnsten!«, rief der zweite.
»Die Geschicktesten!«, endete der dritte.
»Eins, zwei …«, fing der Majordomus wieder an, die
Mitglieder der Delegation zu zählen.
»Wir sind nicht zu zählen!«, antworteten die Alchimisten.
»Drei, vier!«, fuhr der Majordomus unbeirrt fort.
»Wir haben Zeit!«, versicherten die Alchimisten.
Der Majordomus gebot ihnen mit theatralischer Geste
zu schweigen. »Adlerauge und Elefantenbein, zum König
lässt man Euch heut ein!«, skandierte er.
Die Alchimisten stampften auf der Stelle und riefen:
»Eins, zwei, drei, vier! Drei, vier, eins, zwei!«
Unwillkürlich schloss sich auch Trix dem Rhythmus
an. Das Tor wurde langsam und feierlich geöffnet, der
Zug der Alchimisten marschierte dem Majordomus hinterher aufs Schlossgelände.
»Eins, zwei, drei, vier!«, schrien die Alchimisten aus
voller Kehle. Sobald die Delegation hinterm Tor verschwunden war, wurde es wieder geschlossen. Die Alchimisten blieben vor dem Schloss stehen. Der Majordomus drehte sich zu ihnen um, ging zu den drei ältesten
Alchimisten und begrüßte sie per Handschlag. Er lächelte, fragte sie etwas und erhielt eine Antwort. Der Rest der
Delegation wartete geduldig. Der bunte Alchimist kratzte
sich die Flecken auf seinem Glatzkopf. Der blaue Fleck
juckte offenbar am stärksten. Irgendwann wurden die
jüngsten Gesellen des Stehens müde und fingen an, sich
zu balgen, bis sie von den älteren Gesellen ein paar Ohrfeigen bekamen.
Schließlich beendete der Majordomus das Gespräch
mit den drei Ältesten und wandte sich der ganzen Delegation zu: »Verehrte Meister! Eine Minute Aufmerksamkeit! Seine Majestät ist heute in guter Stimmung aufgewacht. Am Vorabend hat er beim Kartenspiel zwei Goldtaler vom Finanzminister gewonnen, in der Nacht einen
angenehmen Traum gehabt. Auch der Morgen verlief
bestens. Seine Majestät hat sich erlaubt, heute plissierte
Beinkleider zu tragen, ein weißes Leinenhemd und, solange Seine Majestät nicht empfängt, ein Barett mit Falkenfeder. Er hat befohlen, ihm den kurzen, lilafarbenen
Umhang mit Hermelinbesatz umzulegen. Alle Vorzeichen deuten auf eine wohlwollende und freundliche
Stimmung. Ihr
Weitere Kostenlose Bücher