Lukianenko Sergej
Cousin?«
»Trix! Er hat hier gestanden und mich traurig angesehen!«
»Was faselst du da?« Sator sah sich um. »Wie sollte er
hierherkommen, er ist gefangen genommen worden, sitzt
im Kerker und wird morgen zum Tod verurteilt! Hier
sind überall Wachposten!«
»Und auf seiner Schulter saß ein winziges schönes
Mädchen in durchscheinenden Gewändern, das mit den
Beinen baumelte und mir schöne Augen gemacht hat«,
sagte Derrick.
»Aber sicher«, entgegnete Sator. »Anscheinend ist es
für dich noch zu früh, Bälle mit derart vielen jungen Damen zu besuchen! Abmarsch in dein Zimmer! Gieß dir
einen Eimer kaltes Wasser über den Kopf und leg dich
schlafen! Aber im blanken Bett, ohne Matratze! Und lass
die Hände auf der Decke, klar?«
Der gedemütigte Derrick sah sich ein letztes Mal
ängstlich um und ging nach oben. Sator seufzte und
murmelte etwas, das Trix gleichzeitig empörte und mit
Stolz erfüllte. »Warum? Warum muss ich so einen
Nichtsnutz haben, während Solier einen kühnen und klugen Jungen hat? Womit habe ich diese Strafe verdient?«
Schließlich gesellte sich Sator wieder zu seinen Gästen, während Trix, den Blick fest auf den Boden gerichtet, sich an der Wand entlang zur Treppe drückte, ins
Erdgeschoss huschte und abwartete, bis der Empfangsmeister in die Küche ging, um hinaus auf die Straße zu
springen und die Tür hinter sich zu schließen.
»Pass besser auf«, ermahnte ihn die Fee. »Du bist
nicht unsichtbar! Und sämtliche Fähigkeiten eines Assassinen sind wie weggeblasen, sobald du jemandem direkt
in die Augen schaust.«
»Ich bin in Gedanken gewesen«, gab Trix zu. »Tut mir
leid. Ich habe an meine Mutter gedacht … und an meinen
Vater. Daran, dass wir alle gemeinsam hier sein könnten.«
Annette seufzte und strich Trix übers Ohrläppchen.
»Das verstehe ich ja. Gehen wir nach Hause, mein Lieber, du musst schlafen.«
»Haben Feen Eltern?«, fragte Trix.
»Natürlich«, antwortete die Fee. »Sie legen … sie legen
die kleine Fee in einer Knospe ab und drei Tage später
schlüpft eine wunderschöne ausgewachsene Fee heraus.«
»Dann hast du sie nie gesehen?«, wollte Trix wissen.
»Nein«, antwortete die Fee. »Aber das ist bei uns so.«
»Sei nicht traurig deshalb«, sagte Trix.
»Bin ich auch nicht. Die Zwerge geben ihre minderjährigen Kinder zum Beispiel zur Arbeit in die Erzminen
weg. Die Drachen jagen ihre Brut aus dem Nest, sobald
die Kleinen fliegen können. Dafür sind die Minotauren
sehr fürsorgliche Eltern.«
»Bei uns Menschen ist alles vermischt«, sagte Trix.
»Da gibt es jede nur denkbare Variante.«
»So seid ihr eben, ihr Menschen«, erwiderte die Fee.
»Mit jedem Zauberwesen finde ich auf Anhieb eine gemeinsame Sprache, weil ich weiß, wer es ist und wie es
sich verhält. Aber ihr Menschen seid unberechenbar …«
Sie verstummte, strampelte mit den Beinen in der Luft,
lachte und fügte hinzu: »Deshalb gefallt ihr mir!«
Trix lächelte und sagte: »Lass uns auf dem Weg nach
Hause noch in einem Blumenladen vorbeigehen. Wir
kaufen Tiana einen Strauß …«
»Aber zuerst krieg ich den Blütenstaub!«, rief die Fee
begeistert.
3. Kapitel
A
ls Trix in die Schenke zurückkam, schlief Tiana
schon. Der treue Hallenberry, der gähnend bei einem Kerzenstummel gegen den Schlaf angekämpft hatte,
öffnete ihm die Tür. »Tiana hat es geschafft, dass wir
morgen in die Delegation aufgenommen werden, klaro«,
murmelte er. »Und jetzt will ich schlafen.«
»Willst du denn gar nicht wissen, ob alles geklappt
hat?«, fragte Trix eingeschnappt.
»Wie hätte es denn nicht klappen können?«, wunderte
sich Hallenberry und ging zu dem Bett, in dem Tiana
schlief. »Du bist doch ein Zauberer!« Er blies die Kerze
aus und hatte offenbar die Absicht, zu seiner Schwester
ins Bett zu kriechen.
»He!«, rief Trix. »Lass sie schlafen! Komm zu mir!«
»Trittst du mich auch nicht im Schlaf?«, fragte Hallenberry.
»Nein«, antwortete Trix und stellte den Orchideenstrauß für Tiana in ein Wasserglas.
»Ich dich schon, klaro«, sagte Hallenberry genüsslich.
»Wenn ich nicht rausfalle …«
So müde, wie Trix war, fragte er sich, ob er überhaupt bemerken würde, wenn Hallenberry ihn trat. Abgesehen davon fiel der Kleine in der Nacht von selbst
aus dem schmalen Bett und setzte seinen Schlaf auf dem
Boden fort. Trix bekam vage mit, wie die gute Annette
schimpfend durchs Zimmer flog und über Hallenberry
(der weiterschlief) eine Decke zurechtzupfte. Dann
wurde es sehr schnell
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