Lukianenko Sergej
schweigen. Aber
Hass ist kein Dummkopf, da bin ich mir sicher. Um jedoch hinter dem Rücken von König Marcel dem Lustigen
zu intrigieren, noch dazu in einer Frage wie der Beziehung zu den Vitamanten, muss man ein Dummkopf sein!
Nein, Hass ist dem König treu ergeben!«
»Er ist alt«, widersprach Trix. »Und die Vitamanten
können ewig leben. Vielleicht hat er sich deshalb auf einen Handel eingelassen?«
»Vielleicht. Nichts ist unmöglich«, murmelte Sauerampfer. »Selbst uns einfache und ehrliche Zauberer
packt, wenn wir das zweite oder dritte Jahrhundert überschritten haben, zuweilen der niedere Wunsch, mit den
Vitamanten zu paktieren.«
Er verstummte, stand auf und nuschelte etwas, worauf
sein Gesicht auf wundersame Weise einen rosafarbenen
Ton annahm, während die Augäpfel klar und weiß wurden. Jetzt sah er nicht mehr wie ein müder Magier aus,
der ein anstrengendes, zweitägiges Symposium hinter
sich hatte, sondern wie ein rechtschaffener Mann. »Ich
danke dir für den kleinen Zauber vorhin, Annette«, sagte
Sauerampfer beiläufig. »Hast du nicht behauptet, du
würdest nichts können?«
Annette schlug verlegen mit den Flügeln.
Radion ging leise pfeifend durchs Zimmer, machte einen Abstecher in die Diele und kehrte mit dem Strauß
weißer Rosen zurück. »Sehr lobenswert, Trix«, sagte er.
»Ein angenehmer Geruch. Bring sie ins Klosett.«
Trix verschwieg lieber, dass er die Rosen eigentlich
für die Fürstin gekauft hatte, und brachte den Strauß ans
genannte Örtchen, wo er ihn an der Wand neben dem
Kerzenhalter befestigte. Eine Knospe riss er jedoch ab
und steckte sie in seine Brusttasche, damit er sie nahe am
Herzen trug.
Als Trix zurückkam, waren bereits alle beschäftigt.
Annette flog durch die Küche und gab Hallenberry, der
das Geschirr abwusch, Befehle. Ian schleppte die Einkäufe
aus der Diele herein und verstaute sie in den Küchenschränken. Sauerampfer hatte sich im Schlafzimmer umgezogen und trug nun einen strengen schwarzen Umhang
mit weißem Spitzenkragen, Stiefel aus Krokoleder und
einen hohen schwarzen Hut, auf dem kleine bunte Steine
funkelten. In einer Hand hielt er einen langen Zauberstab
aus Ebenholz, in der anderen ein in Leder gebundenes
Buch mit Zaubersprüchen. Ab und an stieß das Buch einen schweren Seufzer aus. Kurz und gut, Sauerampfer
sah prachtvoll aus, ganz wie es sich für einen berühmten
Zauberer gehört.
»Du und ich, wir gehen jetzt zum Regenten«, sagte
Sauerampfer zu Trix. »Nimm deinen Ausgehumhang,
zieh die paillettenbesetzten Stiefel an und setz den
schwarzen Hut mit den Runen auf! Vergiss deinen Stab
nicht! Und auch … das hier! Es ist für dich.« Er hielt
Trix ein Buch hin, das in festes graues Leinen gebunden
war. Es war so klein, dass es in eine Hand passte. In einer
Ecke prangte ein angebissener, mit einem grünen Faden
gestickter Apfel.
»Was ist denn das?«, fragte Trix begeistert.
»Das ist dein erstes In-einer-Hand-Buch«, verkündete
Sauerampfer feierlich. »Ein kleines Buch mit Zaubersprüchen. Für den Anfang habe ich dir schon einige notiert. Zauber, um mit mir in Verbindung zu treten, um
dich räumlich zu orientieren, Musikzauber, damit du ein
Publikum ungezwungen unterhalten kannst …«
»Gibt es auch Kampfzauber?«
»Also … eher Verteidigungszauber. Eine Feuerwand.«
»Nicht schlecht!« Trix strich über den Einband. »Und
was hat der Apfel zu bedeuten?«
»Vorsicht!«, rief Sauerampfer. »Das ist kein Apfel,
das ist der Einpräger …«
Etwas piekte Trix in den Finger und der Apfel färbte
sich rot. »Ei pottstausend!«, jaulte er. »Da steckt ja noch
die Nadel drin!«
»Keine Nadel, sondern Magie. Das In-einer-HandBuch erkennt dich jetzt wieder und niemand anders kann
es benutzen.« Sauerampfer schüttelte den Kopf. »Ich
wollte dich gerade warnen, dass du dir einen schönen
Namen dafür ausdenken sollst. Aber jetzt ist es zu spät.
Das In-einer-Hand-Buch hat sich schon gemerkt, was du
gesagt hast.«
»Was heißt das?«
»Du musst genau diese Worte wiederholen, um das
Buch zu öffnen.«
»Ei pottstausend! Da steckt ja noch die Nadel drin?!«,
fragte Trix. »Aber das ist doch dumm! Da werden mich
alle auslachen!«
»Vielleicht gibt sich das Buch mit den ersten Buchstaben zufrieden«, munterte Sauerampfer ihn auf.
»E!«, versuchte es Trix und strich über den Einband.
Nichts passierte. »Ei!« Nichts. »Ei p!« Nichts. »Ei po!«
Trix war kurz davor aufzugeben. »Ei pott!«
Das Buch öffnete
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