Lukianenko Sergej
sich.
»Eipott, das geht«, befand Sauerampfer, während Trix
die auf cremefarbenes Papier geschriebenen Zauber ansah. »Eipott! Das ist kein ungewöhnlicher Name für ein
In-einer-Hand-Buch. Ich kenne Magier, die haben ihr
Buch Wasfür oder Mistverfluchter oder Wegmitdemding
genannt.«
»Und wann kriege ich ein richtiges Buch? Ein großes?«
»Das Buch mit Zaubersprüchen wächst mit dem Magier«, erklärte Sauerampfer. »Es ernährt sich von den
Zaubern, die du in ihm aufschreibst. Je besser der Zauber, desto schneller wächst das Buch, desto mehr Seiten
wird es haben, desto schöner wird der Einband … Aber
jetzt geh dich umziehen.«
Fünf Minuten später war Trix wieder da. Sauerampfer
betrachtete gerade mit finsterer Miene den kleinen Tonkrug. »Woher kommt der Sud aus Kaliswurzeln und Selsibablättern?«
»Das ist … Dieser Ritter, der auch ein Zauberer ist,
der auch ein Vitamant ist …« Erst jetzt fiel Trix ein, dass
er dieses Detail in seiner Erzählung vergessen hatte. »Er
hat mir aufgetragen, ihn zu kaufen und Euch zu überreichen. Einen Silberling hat er mir dafür gegeben! Er hat
gesagt, es sei ein Geschenk von einem alten Freund von
der Schwarzen Anfurt …« Als ihm klar wurde, dass Radion Sauerampfer ganz bestimmt keinen Magier der Vitamanten zum Freund hatte, verstummte er.
»Gavar Villaroy«, sagte Sauerampfer nachdenklich.
»Er trägt einen stählernen Panzer … dieser Magier …
Die Schwarze Anfurt … Gavar ist einer der stärksten Vitamanten, ein treuer Hund von Evykait. Obwohl: Wir
wollen die Hunde doch nicht beleidigen! Nur er kann mir
ein solches … ein solches Geschenk machen! Gehen
wir!«
Trix eilte Radion erschrocken nach. Kaum hatten sie
das Haus verlassen, steuerte Sauerampfer auf den
schwarzen Fleck zu, der von dem Wachlicht übrig geblieben war. Er streckte die Hand aus und flüsterte etwas,
von dem Trix nur wenige Worte verstand. »Eine mächtige
Flamme entsteht aus dem winzigen Funken. Und die Kugel entsteht aus diesen Flammen …«
Sicherheitshalber trat Trix ein paar Schritt zurück.
Unter Sauerampfers Hand flammte es auf. Ein kleines
Wachlicht erschien. Es schwoll an, bis es so groß war
wie sein Vorgänger, berührte leicht die Hand des Magiers und machte sich auf, im Garten Patrouille zu fliegen.
»Ich habe geglaubt, Ihr würdet das alte wiederbeleben«, murmelte Trix.
»Etwas wiederzubeleben, das ist die Magie der Vitamanten«, entgegnete Sauerampfer verächtlich. »Gehen
wir.«
Der Zauberer ging federnden Schrittes die Straße entlang, die den Berg hinaufführte, und stieß seinen Stab
immer wieder fest in die Erde (wobei manchmal kleine
weiße Blumen oder Funken aufstiegen). Anscheinend
bereitete sich Sauerampfer auf ein ernstes Gespräch vor.
Trix, der ihm folgte, hielt es nicht aus und sagte: »Herr
Sauerampfer … erlaubt mir zu fragen, warum der Ritter
Gavar …«
»Wenn du ungewaschene grüne Äpfel isst oder gesalzene Gurken naschst und anschließend frisch gemolkene
Milch trinkst«, unterbrach ihn Sauerampfer mürrisch,
»dann trink den Bittersud aus Kalis und Selsiba – und in
zwei Tagen bist du deinen Kummer los. Aber nicht mehr
als drei Löffel!«
»Äh …«, stammelte Trix.
»An der Schwarzen Anfurt habe ich schreckliche Tage
durchlebt, Schüler«, fuhr er fort. »Sehr schreckliche. Die
sterbliche Hülle bereitet mitunter selbst dem stärksten
Geist Ungemach. Dessen braucht man sich nicht zu
schämen, verstanden?«
»Ver-verstanden«, antwortete Trix.
»Aber die Chroniken schweigen sich über diese Dinge
natürlich aus«, ergänzte Sauerampfer. »Und wenn du
jemandem etwas von dem Malheur erzählst, verwandel
ich dich in einen Nachttopf!«
»Ich kann nur in ein Material verwandelt werden, das
leichter ist!«, rief Trix vorlaut.
»Es gibt auch Nachttöpfe aus Holz«, fuhr ihn Sauerampfer an. Daraufhin wollte Trix das Schicksal besser
nicht herausfordern.
4. Kapitel
W
er meint, Zauberer mischten sich nicht in Staatsangelegenheiten ein, irrt. Wenn ein kampferprobter Ritter seinem Souverän Ratschläge erteilt, wenn eine
Delegation von Kaufleuten oder Handwerkern um Hilfe
für eine Gilde oder um den Bau von Brücken und Straßen
bittet, wenn einfache Bauern und Bürger bisweilen die
Herrscherpaläste niederbrennen und sich einen neuen
Adel aus den eigenen Kreisen vor die Nase setzen, wa
rum sollte ein Zauberer dann nicht auch das Recht dazu
haben? Einen Staat kann schließlich jeder lenken, das ist
allgemein bekannt,
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