Lukianenko Sergej
sehr leid, was ihr passiert ist.«
»So ist es richtig!«, triumphierte die Fee. »Alle widmen sich wieder ihren Aufgaben …«
Da verstand Trix, dass von seinen Freunden keine Hilfe
zu erwarten war. Keiner von ihnen hatte vor, in den Palast einzudringen und die Fürstin zu retten. »Aber so geht
das doch nicht!«, rief er. »Wir haben versprochen, ihr zu
helfen! Ich habe ihr mein Wort gegeben!«
Hallenberry zog den Rotz hoch, sagte aber nichts. Ian
verdrehte die Augen und brachte damit zum Ausdruck,
was er von den Macken der Adligen hielt.
Genau in diesem Moment tauchte der große Magier
Radion Sauerampfer in der Küche auf.
Jeder Zauberer, der die schwierige Wissenschaft der
Teleportation beherrscht, weiß: Es reicht längst nicht,
sich von einer Stadt in eine andere zu bringen, im Bruchteil einer Sekunde auf die Spitze eines Berges oder an die
Küste eines Meeres zu gelangen. Nein, er muss es obendrein auch noch schaffen, dass alle Zeugen seiner Ortsverschiebung sich völlig klar darüber sind, wie schwierig
dieser Prozess und wie stark folglich der Zauberer ist, der
so etwas fertigbringt.
Trix hatte schon öfter Zauberer bei der Teleportation
erlebt, beispielsweise die königlichen Hofkuriere, aber
auch einfache Liebhaber des Reisens. Und jeder von ihnen hatte seine eigenen Angewohnheiten.
Ein Magier, ein ziemlich junger Zauberer, verschob
sich zum Beispiel in Einzelteilen. Erst tauchten aus dem
Nichts die Füße auf, dann die Unter- und Oberschenkel,
der Bauch, die Brust, der Hals und erst ganz am Schluss
der Kopf.
Ein anderer Zauberer, ein älterer und gesetzterer,
tauchte zwar gleich in einem Stück auf, zunächst jedoch
durchsichtig und farblos, dann wurde er schwarz-weiß,
und erst danach nahm er ganz langsam Farbe an. Die berühmte Zauberin Cecilia Nonforju, die auch das CoHerzogtum ein paarmal besucht hatte, entstieg einem
Silberspiegel, der sich in der Luft materialisiert hatte und
den winzige bunte Vögel hielten. Aus den Haaren der
Zauberin segelten duftende Maiglöckchen, aus ihren Händen stieg glitzernder Staub auf. Der ruhmreiche Zauberer
Gren Getüm, ein alter und strenger Mann, war von Flammenzungen umgeben, wenn er mit zerfetzter Kleidung aus
der Luft trat. In der einen Hand hielt Getüm einen Zauberstab, der ein purpurrotes Licht abgab, in der anderen einen
blutigen Dolch – kurzum, es war auf den ersten Blick klar,
dass der Zauberer nur dem Anschein nach eine bequeme
und schnelle Reise hinter sich gebracht hatte, in Wirklichkeit aber über geheime Höllenpfade gewandert war
und gegen zahllose Monster gekämpft hatte.
Man wird sich unschwer vorstellen können, wie enttäuscht Trix war, als er Radion nach der Teleportation
gefragt und eine ehrliche Antwort erhalten hatte: All diese
raffinierten Beigaben hätten nicht die geringste Bedeutung, sie seien einzig Illusion, um die Zeugen des Zaubers zu begeistern und zu erschrecken.
Als Radion Sauerampfer per Teleportation von seinem
Turm aus zu seinem Haus in Dillon aufgebrochen war,
hatte er natürlich nicht mit Außenstehenden gerechnet.
Deshalb war sein Auftritt wenig spektakulär, er erschien
einfach lautlos in der Luft, mit einem großen Pokal
Weißwein in der Hand.
Der Zauberer sah müde und übernächtigt aus. Er trug
einen grünen, mit purpurnen Rosen bestickten Samtbademantel und Filzschuhe aus Samarschan an den nackten
Füßen. Wahrscheinlich hatte das Symposium länger gedauert, als Sauerampfer erwartet hatte, und ihn geistig
wie körperlich enorme Kräfte gekostet.
Als er vor sich nicht nur Trix und die Fee erblickte,
sondern auch noch Ian und Hallenberry, verschüttete er
vor Schreck prompt den Wein.
Annette setzte sich rasch auf Trix’ Schulter. Ian und
Hallenberry versuchten beide, sich hinter Trix zu verstecken, gerieten dabei ins Stolpern und fielen hin.
»Was … was hast du hier für ein Kinderheim aufgebaut?«, schrie Sauerampfer. Sofort verzog er schmerzgepeinigt das Gesicht und legte sich die Hand auf die Stirn.
»Oh nein! Nicht schon wieder!«
Ian zog, patent, wie er war, einen Stuhl heran, auf den
sich Sauerampfer dankbar plumpsen ließ. Dann stürzte
der Junge in die Diele und kehrte mit einem großen Topf
gesalzener Gurken und einer Flasche Aniswein zurück.
»Aus meinen Augen damit!«, stöhnte Sauerampfer.
»Du lausiger Bengel! Trix, wo kommt der her? Hä?«
Ian hörte jedoch nicht auf Sauerampfer, sondern goss
ihm einen großen Pokal mit der Salzlake der Gurken ein
und gab dann den
Weitere Kostenlose Bücher