Lukianenko Sergej
Niedertracht, eine
Schatzsuche und einen Kampf gegen Piraten … Eine Sache so recht nach meinem Herzen! Sie hätte aufgeschrieben gehört, damit sie anderen eine Lehre ist. Seitdem
weiß ich, wie wichtig es ist, der heranwachsenden Generation zu helfen, ihr moralischen Halt und ethische Orientierung zu geben. In Erinnerung an meinen kleinen
Freund, dem ich das Seemannshandwerk beigebracht und
den ich sogar vor blutrünstigen Piraten gerettet habe, bin
ich bereit, Euch zu helfen.«
»Das ändert die Sache natürlich«, erwiderte Paclus,
der ihm seinen Krug zum Nachfüllen hinhielt. »Dann
könnt Ihr uns vielleicht einen Rat geben. Wir brauchen
ein kleines schnelles Schiff und eine gute Mannschaft.
Für ein paar Tage. Die Reise wird gefährlich und bringt
nichts ein. Die Mannschaft muss unbedingt zuverlässig
sein. Niemand darf je ein Wort darüber verlieren, was er
erlebt hat!«
»Schwierige Sache!«, sagte der Schankwirt. »Seeleute,
die keine Geheimnisse ausplaudern? Sind mir nicht bekannt. Man könnte ihnen natürlich die Zunge abschneiden oder sie einfach über Bord werfen, wenn das Schiff
wieder im Hafen einläuft …« Er verstummte und lächelte.
»Das war ein Scherz, edler Ritter! Nur der Scherz eines
guten alten Schiffskochs! Am einfachsten wäre es, Ihr
würdet ein Schiff ohne Mannschaft nehmen. Im Hafen
liegt ein prächtiger Schoner, dessen Kapitän sich dem
Suff hingegeben hat und dem die Mannschaft längst davongelaufen ist. Das Schiff ist nicht sehr groß, aber wendig. Gegen ein bescheidenes Entgelt sorge ich dafür, dass
der Kapitän Euch das Schiff für ein oder zwei Wochen
überlässt. Aber um eine Mannschaft müsst Ihr Euch
selbst kümmern! Der Bagage, die sich in meiner Schenke
die Hosen durchsitzt, ist nicht zu trauen!«
Paclus sah Trix an. »Kennst du jemanden, der dafür
infrage käme?«
Trix schüttelte den Kopf – bis ihm eine wahnwitzige
Idee kam. »Muss die Mannschaft groß sein?«
»Fünf, sechs Mann, wenn sich niemand vor der Arbeit
drückt«, antwortete der Wirt.
»Paclus«, sagte Trix, von der eigenen Entschlossenheit
mitgerissen, »es gibt da jemanden … in gewisser Weise
ist er ein Kapitän …«
Paclus warf eine weitere Münze auf den Tresen.
»Kümmer dich um das Schiff, guter Mann«, verlangte er.
»Wir kommen am Abend wieder. Gehen wir, Trix.«
Der Ritter und der Zauberlehrling verließen die
Schenke, begleitet von den sehnsüchtigen Blicken der
Seeleute und dem neugierigen Blick des Wirts.
»Wie heißt dein Kapitän?«, fragte Paclus.
»Bambura«, antwortete Trix. »Kapitän Bambura, der
Schrecken der Kristallenen Inseln.«
Die Idee, die sich da in Trix’ Kopf eingenistet hatte, war
eigentlich gar nicht für ihn oder Bamburas Truppe bestimmt. Nein, sie wartete in jener idealen Welt, in der
alles bereitliegt, was sich fantasievolle Köpfe je ausgedacht haben, auf ein paar andere Schauspieler. Im Übrigen amüsiert Schauspieler nichts so sehr wie der Versuch, ihre Bühnenrollen im echten Leben zu spielen.
(Was passiert, wenn die Rebellen tatsächlich rebellieren,
die Kämpfer kämpfen, die Erfinder erfinden?) Doch sei
es wegen des Biers, sei es wegen der Angst um Tiana –
jedenfalls schaffte Trix es, diese Idee am Schlafittchen zu
packen und Paclus davon zu überzeugen.
Warum aber billigte Paclus die Idee? Lag es an dem
vielen Bier, das er in der Schuppe und Kralle getrunken
hatte? Oder daran, dass er – wie alle Ritter und Zwerge –
nicht das Geringste von der Seefahrt verstand?
Als Trix und Paclus zum Theater kamen, strömte die
Menge gerade auseinander. Kinder lärmten in allen Tonlagen, Kinderfrauen und Gouvernanten versuchten, ihre
Schutzbefohlenen in die richtige Richtung zu lenken.
Überall standen leere Fruchteis-Gläser und kleine Körbe
mit karamellisierten Walnüssen oder türkischem Honig
herum. »Mehr!«, schrie ein kleiner Junge aus vollem
Hals. »Ich will noch mehr von Bambura und Albi!«
Das Gewusel gefiel Trix gar nicht. Offenbar war das
Stück in Dillon sehr populär. Doch bei aller Liebe zur
Schauspielkunst – ein leerer Saal und hungrige Schauspieler, die bereit waren, für ein paar Goldstücke als Matrosen anzuheuern, wären Trix jetzt viel lieber gewesen.
Am Ausgang stand der Barbar aus dem Norden, der
Trix gleich wiedererkannte und ihm zunickte. Wer einmal einen Fuß in die Welt des Theaters gesetzt hatte, gehörte offenbar für immer dazu.
Den Ritter Paclus beäugte der Barbar dagegen voller
Misstrauen,
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