Lukianenko Sergej
dass
Tiana keine reale Gefahr droht. Es ist eine typische Ehe
unter Adligen. Die Liebesehen in diesen Kreisen kannst
du an einer Hand abzählen.«
»Meine Eltern haben sich lieb gehabt!«, widersprach
Trix.
»Du sprichst vom Co-Herzog Rett Solier und der CoHerzogin Remy Solier, geborene Baroness Remy Wenikfro, die nur über ein erbärmliches Lehen verfügte? Sie
war fünfzehn Jahre alt, als sie ihm zur Frau gegeben
wurde. Ihre Mitgift bestand in einem umstrittenen Platanenwald und dem Recht, die Hüter-Schlucht unentgeltlich zu überqueren. Nach dem Tod des alten Wenikfro
fiel dann das ganze Lehen dem Co-Herzogtum zu. Von
diesen beiden sprichst du doch, oder?«
Trix ließ den Kopf hängen.
»Natürlich haben sie sich geliebt«, tröstete der Zauberer ihn. »Aber die Ehe haben ihre Eltern für sie gestiftet,
und zwar aus Berechnung. Das kommt vor. Ich würde
sogar vermuten, dass Tiana …«
»Werde ich es schaffen, Herr Sauerampfer?«, unterbrach ihn Trix.
»Du hast alle Chancen. Nimm es als Prüfung, um vom
Fanaticus zum Soufflöticus aufzusteigen. Vom Schwierigkeitsgrad wäre es genau richtig.«
»Werden denn viele Fanaticusse Soufflöticusse?«
»Ungefähr jeder dritte.«
»Und Soufflöticusse Initiaticusse?«
»Jeder siebente«, antwortete der Zauberer lächelnd.
»Verstehe.« Trix runzelte die Stirn. »Wahrscheinlich
wird dann jeder zwölfte Initiaticus Zauberer?«
»Die Magie hat etwas übrig für schöne Zahlen«, bestätigte Sauerampfer. »Und, Schüler, wie entscheidest du
dich?«
Trix seufzte tief. »Herr Sauerampfer!«, sagte er. »Erlaubt mir, einen Urlaub von zwei Wo… von zwölf Tagen
zu nehmen, den ich für eine Ehrensache benötige!«
»Zwölf Tage, das ist viel«, antwortete der weise Sauerampfer. »Dir würden auch drei … na gut, sieben Tage
reichen. Sieben Tage Urlaub. Ab jetzt!«
»Vielen Dank«, sagte Trix. Insgeheim war ihm zum
Heulen zumute, dennoch sah er den Magier tapfer an.
»Den ruhmreichen Ritter dürftest du in der Schuppe
und Kralle finden«, sagte Sauerampfer. »Sprich mit ihm
ab, was und wie ihr weiter vorgeht. Und … nimm das.
Du wirst es brauchen.«
Trix empfing aus den Händen des Magiers einen
schweren Lederbeutel. Ungläubig schaute er hinein: Dort
schimmerten Goldstücke.
»Herr Sauerampfer …«
»Nimm sie nur!«, nuschelte der Zauberer. »Ich hatte
während des Symposiums Glück beim Kartenspiel. Viel
Erfolg, Trix.« Er stand vom Stein auf, reckte sich und
sagte laut: »Und nachdem er den tapferen Jüngling mit
diesen schlichten Worten auf die Reise geschickt hatte,
löste sich der weise Zauberer Radion Sauerampfer allein
durch seine Willenskraft in Luft auf, um sogleich im Studierzimmer seines bescheidenen Heims am Rande von
Dillon zu erscheinen …«
Die letzten Worte kamen bereits aus dem Nichts.
Prompt stürzte auch die Mauer der Stille ein, und das
Zirpen der Zikaden, das Schimpfen der Wachen auf den
Mauern des Fürstenpalasts und das laute Geschrei der
Kinder, die sich in einem Viertel weiter unten prügelten,
drangen wieder zu Trix durch.
Irgendwie kam er sich dadurch noch kleiner und verlassener vor – auch wenn sein Lehrer ihn gerade eben
vom Jungen zum Jüngling befördert hatte.
Wie sich zeigte, brachte es nicht nur Freude mit sich,
erwachsen zu werden.
5. Kapitel
A
ls Trix die legendäre, wenn auch etwas heruntergekommene Schenke Schuppe und Kralle betrat, stellte
er erstaunt fest, dass sich dort kaum etwas verändert hatte.
Nach wie vor klirrten Rüstungen in allen Tonlagen.
Als er genauer hinsah, fiel ihm zudem ein bemerkenswertes Detail auf: Die meisten Ritter trugen zwar Kettenhemden oder Harnisch, hatten aber die Kettenhosen oder
Beinschienen abgenommen und unter die Bänke geschoben. Eine weise Voraussicht angesichts der Mengen von
Bier, die sie tranken und die sie zu regelmäßigen Besuchen auf dem Hinterhof zwangen. Die dreckverkrusteten
wollenen Beinkleider oder – bei einfacheren Rittern – die
zerrissenen Unterhosen verliehen der Atmosphäre jedoch
weder Noblesse noch Wohlgeruch.
Im Zentrum der allgemeinen Heiterkeit stand wie beim
letzten Mal der herrliche Sir Glamor. Der rot gelockte
Ritter hatte einen runden Tisch erklommen, hielt einen
Bierkrug hoch und sang aus vollem Hals:
»Bier her, Bier her, mir ist’s nicht genug!
Bier her, Bier her, mir ist’s nicht genug!
Bier im vollen Krug!
Davon krieg ich nie genug!«
Seine Tischgenossen, nicht ganz so ruhmreiche Ritter,
hatten sich bei den Schultern gefasst und
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