Lukianenko Sergej
schunkelten und
trampelten um den Tisch herum. Sobald das Wort »Bier«
fiel, stampften die Ritter drohend mit den Fuß auf und
riefen: »Einen ganzen Krug!«
Leicht bestürzt über diese Ausgelassenheit zwängte
sich Trix auf der Suche nach seinem kurzzeitigen Herrn,
dem ruhmreichen Ritter Paclus, durch die Tische hindurch. Letztes Mal war sein Auftauchen in der Schenke
völlig unbemerkt geblieben, drückten sich doch um die
Ritter stets mehr als genug Jungen herum, die von den
funkelnden Waffen angezogen wurden und davon träumten, bei einem Ritter in Dienst zu treten – oder schlicht
und ergreifend einen von ihnen bestehlen wollten. Diesmal jedoch trug Trix den Umhang eines Zauberers, einen
Stab (unterm Arm, damit er ihn niemandem auf den Fuß
rammte) und einen Samtbeutel am Gürtel, in dem sein
Buch mit Zaubersprüchen lag. Damit fiel er auf. Einige
Gäste hatten einen Blick voller Ironie für ihn übrig, andere,
meist ältere Ritter, die bereits Magier im Kampf erlebt
hatten, einen voller Respekt. Ein Ritter schlug ihm kameradschaftlich auf den Rücken, ein anderer hielt ihm mit
zitternder Hand einen noch nicht geleerten Bierkrug hin,
was unter Rittern als heiliges Zeichen der Freundschaft
und Achtung gilt. Als Trix allerdings vorbeigegangen
war, hielt dieser, mit noch glückseligerem Lächeln auf
den Lippen, den Krug einem Hund hin, der unterm Tisch
an einem Knochen nagte.
Schließlich entdeckte Trix die knapp über dem Tisch
aufragende Glatze von Sir Paclus. Der üppige Bart des
Ritters lag wie eine Serviette auf dem Tisch. Von beiden
Seiten umarmten ihn lustig plappernde Kellnerinnen. Die
eine wickelte seinen Bart um den kleinen Finger, sodass
sich die Haarpracht ringelte, die andere flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Paclus strahlte, seine Augen funkelten. Er schien sich
zwischen den beiden einfach nicht entscheiden zu können.
»Sir Paclus?« Trix blieb vor dem Ritter stehen.
Dessen Blick wurde warm. »Trix!«, schrie er, wobei er
sogar Glamors Gesang übertönte. »Du kleiner Taugenichts, nun bist du schon fast ein richtiger Zauberer!«
Paclus schob eine der Kellnerinnen zur Seite und deutete
auf den Platz neben sich. Trix setzte sich, wenn auch etwas verlegen.
»Gefällt sie dir?«, erkundigte sich Paclus und blickte
auf die Kellnerin, die weggerutscht war. »Sie heißt … na,
das ist unwichtig. Soll ich sie dir vorstellen?«
Die Kellnerin hatte zunächst einen Schmollmund gemacht, betrachtete Trix jetzt aber neugierig. Den schauderte es. Eine Greisin von dreißig Jahren kennenzulernen
lag nun wahrlich nicht in seinen Absichten.
»Sir Paclus … wir müssen miteinander reden!«
»Husch, husch, weg mit euch!«, befahl Paclus den
Kellnerinnen. »Der junge Zauberer und ich, wir müssen
ein ernstes Gespräch führen!«
»Ein Zauberer! Ja und?!«, höhnte die andere Kellnerin
und ließ von seinem Bart ab. »Mein kleiner Bruder ist
auch Zauberlehrling … schon im zehnten Jahr.«
Trotzdem zogen die beiden kichernd ab.
»Was gibt es, mein Sohn?«, fragte Paclus mit recht
nüchterner Stimme. »Wenn du von der Magie enttäuscht
bist, musst du mich nicht lange bitten: Ich bin jederzeit
bereit, dich zurückzunehmen. Meine alten Knappen wollten aus irgendeinem Grund nicht zu mir zurück. Und
neue … wollen einfach nicht auftauchen.«
»Nein, vielen Dank«, antwortete Trix. »Ich habe mich
bereits an die Zauberei gewöhnt.«
»Schade!«, sagte Paclus noch nüchterner. »Trotzdem
bin ich ganz Ohr!«
Mit einem Blick versicherte sich Trix, dass niemand
ihr Gespräch hörte. Sir Glamor brüllte nach wie vor:
»Bier her, Bier her, mir ist’s nicht genug!
Bier her, Bier her, mir ist’s nicht genug!
Bier im vollen Krug!
Davon krieg ich nie genug!«
Seine Saufkumpane hämmerten mit den Schwertern
auf den Fußboden und schrien: »Einen ganzen Kübel!«
Der Schankwirt war bereits mit vier Kannen zu dem
Tisch unterwegs.
»Herr Ritter«, begann Trix, »ich habe da eine Geschichte gehört …«
»Gib mir die Kurzfassung«, bat Paclus.
»Die Vitamanten haben mit Erlaubnis des Regenten und
des Königs höchstselbst die Fürstin Tiana auf die Kristallenen Inseln entführt, damit sie die Frau von Evykait wird!«
Paclus tastete auf dem Tisch herum, fand unter diversen
leeren Krügen einen noch vollen, stürzte ihn hinunter,
rülpste und stand auf. »Komm, mein Junge, schnuppern
wir ein bisschen frische Luft!«
In einer Küstenstadt gibt es keinen romantischeren, lustigeren und dreckigeren Ort
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