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Lukkas Erbe

Lukkas Erbe

Titel: Lukkas Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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zum Äußersten zu treiben.
    Es ging schnell, schon nach zwei Minuten ließ er wieder von ihr ab und war im Unterholz verschwunden, ehe sie noch richtig begriff, dass es vorbei war. Dann kümmerte sie sich zuerst um Frank, der langsam wieder zu sich kam.
    Am Hinterkopf war nur eine Schramme, aber der Faustschlag hatte ihn in den Nacken getroffen und den Wirbel geprellt. Minutenlang fürchteten sie beide, er sei gelähmt. Endlich gelang es ihm, Hände und Füße zu bewegen. Er brauchte noch ein paar Minuten, ehe er aufstehen und Rita zum Auto folgen konnte. Und sie war dankbar, einfach nur dankbar, so glimpflich davongekommen zu sein.
    Frank wollte unbedingt zur Polizei, um den Überfall anzuzeigen, das konnte Rita ihm ausreden. Sie hatten doch beide in der Dunkelheit niemanden erkannt, wen sollten sie da anzeigen? Sie hatte zwar das Gesicht des Mannes für zwei Minuten dicht vor sich gehabt, aber in der Panik, er könne sie ersticken mit seiner Hand auf Mund und Nase, und in der Dunkelheit. Etwas von Bedeutung hatte sie nicht gesehen. Größe, Gewicht, Haarfarbe, Kleidung, es waren verschwommene Eindrücke geblieben.
    Eine schwarze Lederjacke, da war sie sicher, weil sie ihre Hände hineingekrallt hatte. Schwarze Lederjacken gab es viele, das halbe Dorf lief darin herum, nicht unbedingt in einer warmen Nacht wie dieser, trotzdem. Und wenn ihr Mann erfuhr, dass sie sich in der Lohberger Diskothek von jungen Männern ansprechen ließ   …
    Rita wollte kein Risiko eingehen. Dass das nächste Paar vielleicht weniger Glück haben, dass es irgendwann Tote geben könnte, daran dachte sie nicht. Die erste Möglichkeit, die Wiederholung des Blutsommers durch rechtzeitige Ermittlungen zu verhindern, wurde vertan. Der Mann hatte wieder einmal Glück gehabt.

Miriam
    Im Sommer 95 war es eine verzweifelte Mutter gewesen, die verhindert hatte, dass die Kriminalpolizei rechtzeitig aktiv werden konnte. Zwei Jahre später waren es junge Frauen wie Rita Meier, die um ihre Ehe und die persönliche Bequemlichkeit fürchtete, und Lukkas Erbin, Miriam Wagner. Sie wollte auf eigene Faust herausfinden, ob Lukka allein für die Verbrechen verantwortlich war, und hielt es für überflüssig, ihre Erkenntnisse mit der Polizei zu teilen. Beide mussten sie teuer zahlen für ihr Schweigen.
    Ich wusste nichts von Miriam Wagner, es hatte in Lukkas Unterlagen keinen Hinweis auf sie gegeben. Und sie wusste nicht, wer Lukka wirklich gewesen war, als sie im Oktober 95 mit dem Blutsommer konfrontiert wurde.
    Den halben August und den September 95 hatte sie in Spanien verbracht. Offiziell war es ein Urlaub gewesen, in Wahrheit eine Flucht. Sie floh immer, wenn sie ihr Leben nicht mehr ertrug, es als sinnlos und überflüssig empfand. Es war ein Beinahe-Leben, zerrissen an einem regnerischen Tag im März 81 – an einem Alleebaum auf der Landstraße von Lohberg ins Dorf.
    An dem Tag starb ihre Mutter bei einem Autounfall – fünf Wochen nach der Verlobung mit Heinz Lukka, wenige Wochen vor der Hochzeit. Damals war Miriam Wagner zwölf gewesen, jetzt war sie sechsundzwanzig. Eine auf den ersten Blick kleine, unscheinbare, kindlich wirkende Frau mit einem steifen Bein, einer tiefen Narbe im Gesicht und so vielen Narben in der Seele, dass man sie nicht zählen konnte.
    Von Britta Lässlers Tod, dem Mordversuch an Tanja Schlösser und den vermissten jungen Frauen hatte Miriam weder gehört noch gelesen. Eine Mordserie in einemDorf, nahe einer Kleinstadt, deren Namen kaum jemand kannte, war in Spanien nicht von Bedeutung.
    Als sie Anfang Oktober 95 zurückkam, lag das Kuvert in ihrem Zimmer. Absender war die Anwaltskanzlei Heinz Lukka in Lohberg, seine Kanzlei. Die Einladung zur Testamentseröffnung. Es traf sie wie ein Schlag in den Rücken. Der Mann, der beinahe ihr Vater geworden wäre, war tot.
    Seine sanfte Stimme verfolgte sie während der Fahrt von Köln nach Lohberg über die Autobahn, wurde mit jedem Kilometer eindringlicher. Kleine Maus hatte er sie immer genannt, auch als sie längst erwachsen war. Zuletzt getroffen hatte sie ihn an dem Abend im Juli 95, an dem Svenja Krahl verschwand. An einem Tisch in einem Kölner Restaurant hatte er ihr gegenübergesessen, ein schmächtiger, kultivierter Mann von siebenundsechzig Jahren.
    Er steckte ihr das Geld für den langen Urlaub zu und sprach davon, sich nun bald aus dem Berufsleben zurückzuziehen. Er hatte schon vor Jahren zwei junge Anwälte eingestellt, um sich zu entlasten, Zeit zu finden für

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