Lulu
gegenüber einem sterbensübel wird. Derweil schreibt mir meine Braut: »Aus ist es!«, und ich kann den Leierkasten umhängen.
LULU
Hast du dich denn hier verlobt?
RODRIGO
Ich hätte dich wohl erst um Erlaubnis fragen sollen? Was war hier mein Dank dafür, dass ich dich auf Kosten meiner Gesundheit aus dem Gefängnis befreit habe? – Ihr habt mich preisgegeben! Ich hätte Packträger werden können, wenn mich dieses Mädchen nicht aufgenommen hätte. Bei meinem Auftreten warf man mir gleich am ersten Abend einen Samtfauteuil an den Kopf. Diese Nation ist zu heruntergekommen, um noch gediegene Kraftleistungen zu würdigen. Wäre ich ein boxendes Känguru, dann hätten sie mich interviewt und in allen Zeitungen abgebildet. Gott sei Dank hatte ich schon die Bekanntschaft meiner Cölestine gemacht. Sie hat die Ersparnisse zwanzigjähriger Arbeit auf der Staatsbank deponiert. Dabei liebt sie mich um meiner selbst willen. Sie geht nicht wie du nur auf Gemeinheiten aus. Sie hat drei Kinder von einem amerikanischen Bischof, die alle zu den schönsten Hoffnungen berechtigen. Übermorgen früh werden wir uns standesamtlich trauen lassen.
LULU
Meinen Segen hast du dazu.
RODRIGO
Dein Segen kann mir gestohlen werden! Ich habe meiner Braut gesagt, ich hätte zwanzigtausend in Wertpapieren auf der Bank liegen.
LULU (vergnügt)
Dabei prahlt der Kerl noch, dass ihn die Person um seiner selbst willen liebt!
RODRIGO
Meine Cölestine verehrt den Gemütsmensch in mir, und nicht den Kraftmenschen, wie du das getan hast und all die anderen. Das ist jetzt überstanden! Erst rissen sie einem die Kleider vom Leib, und dann wälzten sie sich mit der Kammerjungfer herum. Ich will ein Totengerippe sein, wenn ich mich noch jemals auf solche Belustigungen einlasse!
LULU
Warum zum Henker verfolgst du denn eigentlich die unglückliche Geschwitz mit deinen Anträgen?
RODRIGO
Weil das Frauenzimmer von Adel ist. Ich bin Weltmann und verstehe mich besser als irgendeiner von euch auf den vornehmen Konversationston. – Aber jetzt hängt mir das Gespräch zum Halse heraus. Wirst du mir bis morgen Abend das Geld verschaffen oder nicht?
LULU
Ich habe kein Geld.
RODRIGO
Ich will Hühnerdreck im Kopf haben, wenn ich mich damit abspeisen lasse! Er gibt dir den letzten Pfennig, den er hat, wenn du nur einmal deine verdammte Pflicht und Schuldigkeit tust! Du hast den armen Jungen hierher gelockt, und jetzt kann er sehen, wo er ein passendes Engagement für seine Kenntnisse auftreibt.
LULU
Was schert es dich, ob er das Geld mit Weibern oder am Spieltisch vertut?!
RODRIGO
Wollt ihr denn mit Gewalt den letzten Pfennig, den sich sein Vater an der Zeitung verdient hat, diesem wildfremden Pack in den Rachen jagen?! Du machst vier Menschen glücklich, wenn du fünf gerade sein lässt und dich einem wohltätigen Zweck opferst! Muss es denn immer und immer nur Casti-Piani sein!
LULU (munter)
Soll ich ihn vielleicht bitten, dass er dir die Treppe hinunter leuchtet?
RODRIGO
Wie Sie wünschen, Frau Gräfin! Wenn ich bis morgen Abend die zwanzigtausend Mark nicht habe, dann erstatte ich Anzeige bei der Polizei und eure Hofhaltung hat ein Ende. – Auf Wiedersehen!
(Journalist Heilmann kommt atemlos von rechts hinten.)
LULU
Sie suchen Fräulein Magelone? – Sie ist nicht hier.
HEILMANN
Nein, ich suche etwas anderes.
RODRIGO (ihm die gegenüberliegende Entreetür weisend)
Die zweite Tür links, bitte.
LULU (zu Rodrigo)
Hast du das bei deiner Braut gelernt?
HEILMANN (stößt in der Entreetür auf Bankier Puntschu)
Pardon, mein Engel!
PUNTSCHU
Ach, Sie sind’s! Fräulein Magelone erwartet Sie im Lift.
HEILMANN
Fahren Sie doch bitte mit ihr hinauf. Ich bin gleich zurück.
(Eilt durch die Entreetür ab. Lulu geht ins Speisezimmer; Rodrigo folgt ihr.)
PUNTSCHU (allein)
Ist das eine Hitze! – – Schneid’ ich dir die Ohren nicht ab, schneidst du sie mir! – – Kann ich nicht vermieten mein Josaphat, muss ich mir helfen mit meinem Verstand! – Wird er nicht runzlig, mein Verstand; wird er nicht unpässlich; braucht er nicht zu baden in Eau de Cologne.
(Bob, ein Groom in rotem Jackett, prallen Lederhosen und blinkenden Stulpstiefeln, fünfzehn Jahr alt, überbringt ein Telegramm.)
BOB
Herrn Bankier Puntschu!
PUNTSCHU (erbricht das Telegramm und murmelt)
»Jungfrau-Drahtseilbahn-Aktien gefallen auf …« – Ja, ja, so ist die Welt –! (Zu Bob.) Warte! (Gibt ihm ein Trinkgeld.) Sag mal – wie heißt du
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