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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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ein Drittel hingehalten. Diesmal mit Thunfisch und Sardellen drauf.
    Glatze hat keinen richtigen Hunger mehr gehabt. So hat er bloß die Thunfischbrocken und die Sardellen vom Teig runtergekletzelt. Und eingefallen ist ihm auch noch etwas. „Diese Nazitypen“, hat er gesagt, „die haben ganz andere Klamotten an wie ich. Jedenfalls die, die man im Fernsehen sieht. Mit denen kann mich doch niemand verwechseln!“
    „Auch wahr!“ Der Zopferl hat Glatze den leer gekletzelten Teigfladen aus der Hand genommen und abgebissen. „Mir ist der nackerte Teig am liebsten!“, hat er mit vollem Mund gesagt. Und: „Ich pack es nur nicht, dass sich jemand freiwillig eine Glatze zulegt. Ich gäbe allerhand drum, einen Schädel voll Borsten zu haben! Dem Teufel meine Seele tät ich dafür verkaufen!“
    Dabei hat er von einem Ohr bis zum anderen gegrinst, und Glatze ist nicht klar gewesen, ob der Kerl das ernst meint oder nicht. Aber klar ist ihm gewesen, dass er sich gerade sauwohl fühlt. So sauwohl wie schon lange nimmer.
    „Gibt es in der Siedlung viele Kinder in eurem Alter?“, hat der Zopferl gefragt. „Oder ist das eher ein Seniorenheim?“
    Glatze hat dem Zopferl erzählen wollen, dass es außer ihm nur noch Locke, Zecke und Zahn gibt, und dass die drei schwer in Ordnung sind. Aber da hätte er laut schreien müssen, denn zu den offenen Fenstern raus hat plötzlich Musik in Fußball-stadion-Lautstärke gewummert. Also hat er es bleiben lassen. Der Zopferl hat sich zu ihm gebeugt und ihm ins Ohr gebrüllt: „Wenn meine Patsy down ist und den Blues hat, dann braucht sie Musik, möglichst laut, das hilft ihr.“
    Dann hat in doppelter Fußballstadion-Lautstärke Glatzes Vater über die Ribiselstauden gebrüllt: „Drehen Sie gefälligst diese verdammte Musik sofort leiser!“
    Und hinter den Ribiselstauden auf der gegenüberliegenden Seite vom Garten ist die Locke-Mutter aufgetaucht und hat nicht minder laut gekreischt: „Sonst rufe ich die Polizei!“
    „Good gracious“, hat der Zopferl gemurmelt, hat sich aufgerappelt, hat nach rechts und links grüßend genickt und ist ins Haus rein.
    Gleich drauf ist es mucksmausestill gewesen.

DIE LOCKE-MUTTER IST, VOR SICH hin schimpfend, abmarschiert, der Glatze-Vater ist bei den Ribiseln geblieben und hat Glatze zu sich her gewinkt. Glatze ist aufgestanden und zu seinem Vater.
    „Wieso bist du denn schon daheim?“, hat er gefragt, während er über die Ribiseln gestiegen ist.
    „Weil der Baumeister demnächst kommt. Wegen dem verdammten Wintergarten, den deine Mutter unbedingt anbauen muss“, hat der Glatze-Vater gesagt.
    Und dann hat er Glatze gefragt, wie es passieren hat können, dass Glatze seine Mutter geschlagen hat.
    „Was, bitte schön, soll ich getan haben?“ Glatze hat seinen Vater mauloffen angestarrt.
    „Sie behauptet, du hast sie geschlagen.“ Der Glatze-Vater hat unglücklich dreingeschaut.
    „Die gnä’ Frau spinnen jetzt wohl komplett!“ Glatze ist ins Haus rein, sein Vater hinter ihm her.
    Die Glatze-Mutter ist in der Küche gewesen. Beim Küchentisch ist sie gestanden, hat einem Berg Fisolen die Endeln abgeschnipselt und ein Gesicht gemacht, als habe jemand ihre ganze Familie ausgerottet.
    Glatze hat sich vor ihr aufgebaut. „Was erzählst du denn für einen Super-Scheiß? Wann habe ich dich denn geschlagen?“
    „Bevor du davongerannt bist!“ Die Glatze-Mutter hat die rechte Hand anklagend hochgehalten. „So brutal, dass mein Handgelenk jetzt noch ganz geschwollen ist!“
    Da hat Glatze endlich kapiert, wovon seine Mutter redet. Er hat sich zu seinem Vater gedreht und das Halsloch von seinem T-Shirt so weit gedehnt, dass er mit der Schulter durchkönnen hat. Auf der Schulter sind vier blutige Kratzer von spitzen Fingernägeln gewesen.
    „Ich habe bloß ihre lackierten Mörderkrallen wegkriegen wollen“, hat er zu seinem Vater gesagt. „Wenn da jemand brutal gewesen ist, dann war sie das!“
    Der Glatze-Vater hat erleichtert „Ach, so war das“, gemurmelt, und mehr hat er nicht gebraucht!
    Wie eine Königskobra hat die Glatze-Mutter gezischt: „Ach, so war das, ach, so war das! Ist das alles, was dir dazu einfällt?“
    Sie hat die Steingut-Schüssel mit den abgeschnipselten Fisolen gepackt, hat sie hochgehoben und auf den Fliesenboden geklatscht und ist aus der Küche raus.
    „Was habe ich denn jetzt wieder falsch gemacht?“ Der Glatze-Vater hat sich hingehockt und die Schüsselscherben aufgeklaubt.
    Glatze hat die Schaufel und den

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