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Lumpenloretta

Lumpenloretta

Titel: Lumpenloretta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Nöstlinger
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Bartwischbesen genommen und Fisolen auf die Schaufel gekehrt.
    „Du könntest dich vielleicht trotzdem bei ihr entschuldigen, damit wieder Friede in der Hütte einkehrt.“ Der Glatze-Vater hat an seinem rechten Zeigefinger herumgelutscht, weil er sich den an einem Schüsselscherben blutig geschnitten hatte.
    „Sie könnte sich vielleicht bei mir entschuldigen!“, hat Glatze gefaucht und die eingesammelten Fisolen in den Mistkübel bugsiert.
    Dann hat er seinem Vater ein Hansaplast geholt und ihm gesagt, dass die Loretta jetzt seine Freundin ist und dass es unmöglich ist, eine Freundin vor der Mutter geheim zu halten, wenn sie nebenan wohnt. Und dass niemand zu probieren braucht, ihm die Loretta auszureden, weil es nichts nützen wird. Der Glatze-Vater hat sich das Hansaplast um den blutenden Zeigefinger gepickt und genickt.
    Am liebsten wäre Glatze gleich wieder rüber zur Loretta. Aber er war sich nicht sicher, ob die Loretta Zeit für ihn hat. Weil sie vielleicht noch immer ihre Mama tröstet. Und dass ihm der Zopferl den brüllenden Vater übel nehmen könnte, hat er auch für möglich gehalten. Also ist er in sein Zimmer rauf, hat das Aufsatzheft aus dem Hosenbund gezogen, hat sich zum Schreibtisch gesetzt, einen roten Filzstift genommen, hat das Heft aufgeschlagen und die Fehler angestrichen. Spaß gemacht, den Nachhilfe-Lehrer zu spielen, hat es ihm nicht. Und so gut, dass er alle Fehler bemerkt hat, ist Glatze im Rechtschreiben sowieso nicht. Außerdem hat er die Aufsätze ziemlich merkwürdig gefunden. In einem hat die Loretta ihre drei Schwestern, Drillinge, beschrieben, die alle drei Miss Europa geworden sind, weil die Preisrichter klarerweise gesagt haben, dass alle drei gleich wunderschön sind. In einem hat sie von einem Sonntagsausflug mit ihren sieben riesigen Hunden erzählt, die entlaufen sind, und dann hat sie einen Hubschrauber gemietet, um sie zu suchen und ist mit dem Fallschirm abgesprungen, wie sie die Hunde gesehen hat. Und in einem hat sie von ihrer Geburtstagsparty erzählt, wo dreiunddreißig Kinder eingeladen waren und ein Zauberer, der ihre Oma in einer Kiste zersägt und nachher wieder zusammengesetzt hat.
    Nach diesen drei Aufsätzen hat es Glatze wirklich gereicht. Er hat das Aufsatzheft zugeklappt, in die unterste Schreibtischlade gesteckt und überlegt, wohin er jetzt gehen könnte. Daheimbleiben hat er nicht wollen. Dazu war ihm die Stimmung im Haus zu negativ.

GERADE, WIE ER BESCHLOSSEN HAT, ins Einkaufszentrum zu radeln, weil sich dort vielleicht ein paar passable Typen aus seiner Klasse herumtreiben, mit denen er abhängen kann, hat sein Handy geklingelt. Zecke ist dran gewesen. Dass er und Zahn vor einer Stunde aus dem Alpenvereins-Camp heimgekommen sind, hat er gesagt, und dass er jetzt bei Zahn ist und ob Glatze zu ihnen rüberkommen will.
    „Bin in null-komma-pepi bei euch“, hat Glatze gesagt. „Bei mir daheim ist sowieso wieder mal fette Luft!“
    Bevor er abmarschiert ist, hat er sich schnell noch umgezogen. Damit ihn Zecke und Zahn nicht fragen können, ob er jetzt auf grindigen Gammel-Look umgestiegen ist.
    Zecke und Zahn sind im Garten hinter dem Zahn-Haus gewesen, wie Glatze gekommen ist. In der Hollywood-Schaukel, träge mit den Beinen baumelnd. Glänzend braun gebrannt von der Gebirgssonne. Glatze hat sich zwischen die beiden gesetzt.
    „Wie war’s?“, hat er gefragt.
    „Einerseits, anderseits“, hat Zahn geantwortet. Das Klettern, hat er Glatze erklärt, ist super gewesen, der Rest ein wahrer Jammer. Mieses Futter, zum Trinken nur Wasser und Früchte-Tee, und Punkt einundzwanzig Uhr Licht aus und Bettruhe. Kein Fernsehen, kein Computer, keine Play-Station, ein Heimleiter wie ein Feldwebel und die anderen Kinder lauter komische Wappler, kein einziges vernünftiges Wesen drunter.
    „Und wessentwegen sind bei dir daheim die klimatischen Verhältnisse getrübt?“, hat Zecke gefragt.
    Zecke drückt sich gern so merkwürdig aus. Er bevorzugt, erklärt er, eine zierliche Wortwahl.
    „Weil meine gnä’ Frau spinnt!“, hat Glatze gesagt. „Dreht durch, nur weil ich die neuen Nachbarn okay finde. Ins Berger-Haus ist gestern nämlich eine Familie eingezogen.“
    Aber das haben Zecke und Zahn sowieso schon gewusst. Sie haben auch gewusst, dass die Neuen Altwaren-Tandler sind und Musik-Terror machen. Sogar, dass Glatze gerade vorher bei denen im Garten Pizza gegessen und Cola getrunken hat, haben sie gewusst. Die Locke-Mutter hatte es der Zahn-Mutter

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