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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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fort. Nur du allein.
Das wolltest du doch immer, und nun hast du es.
    Als
mein Vater zu sprechen begann, wandte ich mich ab. Ich wollte nicht hören, was
er zu sagen hatte, denn sollte er in das gleiche Horn blasen wie die Medien und
die zuständigen Behörden, würde ich seine Worte nicht verkraften.
    »Furchtbar,
nicht wahr?«, sagte Kiro leise, dem meine Reaktion nicht entgangen war. »Ich
habe schon vermutet, dass es schlimm ist, aber das …«
    »In
den Augen der Öffentlichkeit seid ihr Verbrecher«, sagte Hansen bitter. »Man
brennt geradezu darauf, eure Beweggründe herauszufinden. Aber da man euch nicht
findet, spinnt man sich eigene Versionen dieser Geschichte zusammen, wie ihr
sehen könnt. Es ist eine Schande.«
    »Und
es ist nicht wichtig«, schaltete ich mich unwirsch ein. »Lass ihnen noch ein
paar Tage Zeit, und das Thema wird dermaßen oft wiedergekaut worden sein, dass
die Leute es allmählich nicht mehr hören können. Man wird uns vergessen.«
    Kiro
wandte sich auf seinem Sitzplatz um, um mich anzusehen. »Und unsere Familien?«,
fragte er bitter. »Hast du einmal an sie gedacht?«
    »Auch
sie werden uns vergessen.«
    Kiro
sah mich für die Dauer eines Herzschlages traurig an. »Und das wünschst du
dir?«
    Ich
hob die Schultern und schwieg.
    »Das
war der Vater der flüchtigen Laura S.«, schloss der Nachrichtensprecher,
nachdem wieder zurück ins Studio geschaltet worden war. »Unsere Reporter waren
bemüht, auch die Adoptiveltern des verschwundenen Kiro G. zu einem Gespräch ans
Mikrofon zu bekommen, bislang jedoch erfolglos. G., der seit dem Säuglingsalter
bei einer Pflegefamilie lebt, verließ vor einigen Jahren seine Erziehungsberechtigten
gemeinsam mit dem einzigen biologischen Sohn der G.s, Michael, mit dem er sich
eine winzige Wohnung erhielt. Auch sein Adoptivbruder war für ein Gespräch
nicht zu erreichen, offensichtlich ist er ebenfalls seit mehreren Wochen
abgängig. Ob oder wie das Untertauchen Michael G.s mit den aktuellen Ereignissen
in Zusammenhang steht, ist noch nicht zu sagen, es ist jedoch anzunehmen, dass
Michael G. mit dem Brand in der AHS nichts zu tun hatte.«
    »Er
ist fort«, murmelte Kiro. »Mike wird vermisst. Denkst du, er ist tatsächlich
bei dem Brand ums Leben gekommen?«
    Aus
irgendeinem Grund glaubte ich das nicht, sagte jedoch nichts dazu. Ich hatte
entschieden, Kiro wieder wie Luft zu behandeln.
    »Doktor
Hansen?«, versuchte es Kiro, da er von mir keine Antwort erhielt. »Was sagen
Sie?«
    Hansen
seufzte schwer und faltete die Hände wie zum Gebet. »Junge, das weiß ich nicht.
Alles, was ich dir sagen kann, ist dies: Ich habe mir die Ruine des
Schulgebäudes angesehen, ebenso wie das Fenster des Raumes, in dem Laura deinen
Bruder eingesperrt hat. Und so wie ich das sehe, hätte er sich schon Flügel wachsen
lassen müssen, um aus dieser Höhe heil auf den Boden zu gelangen.«
    Kiro
schluckte hart. »Dann ist er also tot.«
    »Solange
seine Leiche nicht gefunden wird, besteht immer noch eine Restchance, dass er
überlebt hat«, räumte Hansen ein, aber er klang nicht besonders überzeugt.
    Kiro
vergrub das Gesicht in den Händen. Bislang war ich nie auf den Gedanken
gekommen, er könnte sich Sorgen um seinen Bruder machen. Warum eigentlich? Etwa
weil Mike uns beide fast umgebracht hätte? Lächerlich. Kiro hatte wohl einen
schlechten Draht zu seinen Pflegeeltern, und Mike war die einzige Bezugsperson
gewesen, die er in dieser Welt gehabt hatte. Solche Bindungen konnte man nicht
einfach durchtrennen, nur weil derjenige, dem sie galten, dem Größenwahn anheimgefallen
war und Menschen abschlachtete.
    Ich
seufzte schwer. »Mike lebt«, sagte ich beinahe widerwillig. »Hansen ist ein
unverbesserlicher Realist, der keine Ahnung vom Wirken der Welt hat. Du weißt
genau, dass man ihm nichts glauben darf. Mike ist wohlauf.«
    Kiro
starrte mich an. »Aber warum … warum weißt du das, Laura? Wie kannst du dir da
so sicher sein?«
    »Ich
weiß es nun mal, glaub es oder lass es bleiben.« Mein Tonfall schwankte von
resignierend zu scharf um.
    Im
Hintergrund leierte die Abschlussmelodie, und für einige Sekunden blinkten die
Namen von Sendermitarbeitern über den Bildschirm. Hansen beugte sich vor und
drehte den Fernseher ab.
    »Es
wird Zeit«, unterbrach der Arzt mit lauter Stimme unseren aufkeimenden Disput.
»Wir sollten uns hinlegen, es ist schon nach Mitternacht.«
    »Sind
Sie etwa mein Vater?«, schleuderte Kiro zurück, der seine Verwirrung über meine
Worte an

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