Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
Vom Netzwerk:
verstummte endgültig. Bald war ich
vollständig in meiner Aufgabe versunken.
     
    Als es bereits auf
Mitternacht zuging, klopfte es erneut an meiner Tür.
    »Was
gibt es denn noch?«, fragte ich gereizt, ohne von meiner Arbeit aufzusehen.
Hansen würde es wohl niemals lernen.
    »Komm
doch bitte für einen Moment, Laura«, bat der Arzt. »Es gibt da etwas, das dich
interessieren könnte.«
    »Und
was genau soll das sein?«
    »Ein
Bericht über euer Verschwinden in den Spätnachrichten«, erwiderte Hansen
geduldig. »Die Reportage beginnt in fünf Minuten. Ich überlasse es dir, ob du
kommst oder nicht.« Hansens Schritte entfernten sich wieder und waren
schließlich vollends verklungen.
    Ich
gestand es mir nicht gerne ein, doch ich musste dem Arzt recht geben. Der
Bericht interessierte mich tatsächlich, und es konnte von ungeheurer Wichtigkeit
sein, zu erfahren, wie weit die Behörden über die Hintergründe unseres
Verschwindens informiert waren und was sie sich anhand ihres Wissens zusammenreimten.
    Mit
einem resignierenden Seufzer legte ich den Stift, mit dem ich gerade versucht
hatte, Klarheit in meine zusammenhanglosen Gedanken zu bringen, beiseite und
erhob mich, um den Stuhl beiseite zu räumen und meine Kammer zu verlassen.
    Als
ich das Wohnzimmer betrat, hörte ich bereits die effekthascherische
Eröffnungsmelodie, die einen Sonderbericht ankündigte. Sowohl Hansen als auch
Kiro saßen auf der Couch vor dem Fernseher, eine beinahe lächerlich heimelig
anmutende Szene. Nur Kiro wandte flüchtig den Kopf, als ich eintrat. Ich setzte
mich nicht zu den beiden dazu, wie sie vielleicht insgeheim gehofft hatten,
sondern blieb in einigen Schritten Abstand zu diesem gestellten Familienstillleben
stehen.
    »Es
ist ein Thema, das schockiert«, begann der Sprecher mit einer Stimme, die Begeisterung
über diese Tatsache ausdrückte, »und vielen stellt sich die Frage, wie es
überhaupt zu einer solchen Tragödie kommen konnte. Tatsächlich ist es schon ein
knappes Monat her, seit Laura S. und Kiro G., die beiden Hauptverdächtigen im
Fall der Brandstiftung an einer örtlichen AHS, aus dem Krankenhaus der St.
Heinrich Klinik verschwanden, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf ihren
Aufenthaltsort zurückzulassen.«
    Es
folgte eine kurze Zusammenfassung des Brandes in meiner Schule. Am Rande wurde
auch Mike – der mysteriöse Fremde – erwähnt, wobei der Sprecher seine Lippen
spöttisch verzog und von dem kläglichen Versuch zweier Jugendlicher sprach, ihre Schuld auf ein Hirngespinst abzuwälzen .
    »Bislang
blieben die Suchaktionen der örtlichen Behörden erfolglos«, fuhr der Sprecher
fort. »Eingeblendet sehen Sie die Fahndungsfotos der beiden Tatverdächtigen.
Mit Hinweisen wenden Sie sich bitte an diese Nummer.« Eine Zahlenkolonne raste
wiederholt über den Bildschirm.
    »Unser
Sender hat exklusiv mit dem Vater der Flüchtigen gesprochen. Es folgt ein
Interview mit dem Vater der achtzehnjährigen Laura S.«
    Ich
hob überrascht die Augenbrauen. Es war schon eine ganze Weile her, dass ich
einen Gedanken an meine Eltern verschenkt hatte, und ich musste mit leisem
Schrecken feststellen, dass ich mich nicht einmal mehr an ihre Stimmen erinnern
konnte. Wie es ihnen wohl in der Zwischenzeit ergangen war? Erwartungsvoll starrte
ich auf den Bildschirm, gespannt auf das, was ich nun sehen und hören würde.
    Eine
eisige Hand schloss sich um mein Herz, als ich meinen Vater schließlich
erblickte. Der Mann, der mir aus Hansens Flachbildfernseher entgegenblickte,
hatte nichts mehr mit dem energischen, arbeitsamen Mittvierziger gemein, an den
ich mich erinnerte. Seine Wangen waren eingefallen und unnatürlich blass. Die Erschöpfung
hatte tiefe Linien in sein Gesicht gegraben, und unter seinen Augen lagen
dunkle Ringe, die von zahlreichen schlaflosen Nächten zeugten. Er schien
innerhalb der vergangenen Tage um die gleiche Anzahl an Jahren gealtert zu
sein, und seine Augen wirkten fahl und glanzlos. Sogar sein ehemals dichtes, schwarzes
Haar, einst sein ganzer Stolz, war schütter und grau geworden, und seine
Haltung war die eines Mannes, den die Last des Schicksals gen Erdboden drückte.
Noch nie hatte ich ihn so müde, so zerschlagen erlebt.
    Wenn du nun Überstunden machst, wartet zuhause niemand ungeduldig auf dein
Kommen , dachte ich bitter. Kein Essen im Kühlschrank,
das Geschirr nicht gespült. Niemand, der die Staubflusen in den Zimmerecken auffegt
oder deine Krawatten und Hemden bügelt. Frau fort, Tochter

Weitere Kostenlose Bücher