Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
wirre Haarsträhne zurück, die
mir ins Gesicht gefallen war, sammelte mich – nein – Er sammelte mich. Die Zeit meiner Freiheiten war
endgültig abgelaufen.
»Es
gibt eine Möglichkeit, um zu verhindern, dass die Menschheit sich selbst
vernichtet. Eine allerletzte Chance. Dazu brauche ich allerdings deine Hilfe.«
»Meine
Hilfe?«, echote Kiro.
»Ich
brauche dich«, sagte ich langsam. »Dich – und das Buch.«
Kiros
Augen weiteten sich, als er begriff, was ich von ihm verlangte. »Du meinst …«
»Du
weißt genau, was ich meine«, unterbrach ich ihn, ohne auch nur die Stimme zu
heben. »Den alten Folianten, den Hansen so eifersüchtig hütet. Ich brauche ihn,
unbedingt. Und du musst mir helfen, ihn zu bekommen.«
»Du
willst ihn stehlen.«
»Ja.«
Kiro
betrachtete mich nachdenklich. »Wozu?«, fragte er, nachdem er kein Anzeichen
von Humor in meinem Gesicht entdecken hatte können. »Wenn du Hansen die
Situation erklärst, wird er sich bestimmt bereiterklären, dir das Buch auszuhändigen.«
Erzähl das mal dem Mann in meinem Kopf! ,
wollte ich ausrufen. Natürlich kam etwas ganz anderes über meine Lippen.
»Er
vertraut mir nicht«, antwortete ich bloß, als wäre das allein schon Erklärung
genug, und setzte eine bühnenreife Unschuldsmiene auf.
»Und
was genau erwartest du nun von mir?«, wollte Kiro wissen.
»Ich
möchte, dass du das Buch für mich holst. Du weißt, wo Hansen es versteckt hält,
nicht wahr? Er hat dir doch mit Sicherheit verraten, wo er es nun aufbewahrt.«
»Ich
…« Kiro biss sich auf die Unterlippe, als versuchte er etwas zurückzuhalten,
das er mir zwar mitteilen wollte, aber nicht durfte.
»Du
weißt es«, stellte ich fest und schüttelte fassungslos den Kopf. In flehendem
Tonfall sprach ich weiter. »Ich bitte dich, hilf mir! Such das Buch und bring
es zu mir. Ich verlasse mich auf dich. Tu es für die Welt – tu es für mich .«
Ich
barg Kiros Hände in den meinen und blickte ihm tief in die Augen, sodass ich
mein eigenes Gesicht in seinen Pupillen ausmachen konnte; eine dunkle Fläche
ohne Tiefe und Substanz, in der ich nicht einmal mehr ansatzweise meine Züge
wiedererkannte. Das Bild erschien mir wie die Reflexion meiner eigenen Seele.
»Kiro,
bitte«, hauchte ich tonlos. »Du musst mir helfen, ich flehe dich an. Ich tue
alles, was du von mir verlangst, aber hilf mir.«
Kiro
schloss die Augen. Ich konnte sehen, wie sich sein Atem beschleunigte, und
seine Finger begannen kaum merklich zu zittern. Alles an ihm strahlte
Anspannung aus, und ich spürte deutlich die Erregung, die bei meiner Berührung durch
seinen Leib raste. Plötzlich begriff ich, wie Er Seine Ziele erreichen würde, ohne sich sonderlich die Hände schmutzig zu machen, begriff,
wie Er Kiro optimal für Seine Pläne ausnutzen würde, ihn – und
mich.
Am
liebsten hätte ich lauthals aufgeschrien. Doch ich konnte es einfach nicht,
konnte dem jungen Mann nicht einmal einen warnenden Blick zuwerfen, konnte
nichts tun, nichts, NICHTS!!!
Ach, nun tu nicht so, als würde dir nicht gefallen, was nun kommt , lachte es gackernd in meinem Kopf.
Meine
Hände glitten an Kiros Armen empor, über seine Schultern, an seinem Hals entlang
und über sein Gesicht. Die schmalen, blassen Finger, die nicht mehr mir
gehörten, zeichneten wie selbstständige Lebewesen seine feinen Gesichtszüge
nach, strichen über sein Haar und verharrten für die Dauer eines Atemzuges an
seinem Kinn, um es leicht anzuheben, sodass er mir direkt ins Gesicht hätte
blicken müssen, hätte er nicht immer noch die Augen geschlossen gehalten.
»Bitte«,
wiederholte ich. Auch mein Atem ging schneller, doch das war nichts weiter als
eine schmutzige Farce ohne jede Bedeutung. Er war ein exzellenter Regisseur. »Ich brauche dich. Lass mich nicht im
Stich. Nicht noch einmal.«
»Nein«,
murmelte Kiro, fast ohne die Lippen zu bewegen. Das Beben seiner Finger hatte
auf seinen ganzen Körper übergegriffen. Er machte Anstalten, mich sanft von
sich zu schieben, doch dann umfasste er ganz im Gegenteil seinerseits meine
Schultern, um mich näher an sich heranzuziehen und mir mit einer Hand durch das
tiefschwarze Haar zu streichen. »Ich lasse dich nicht im Stich, Laura. Niemals
wieder.«
»Dann
hilf mir«, wisperte ich, die Lippen nur Millimeter von seinem Ohr entfernt. Meine
rechte Hand ruhte auf seinem Oberkörper, sodass ich das hektische Heben und
Senken seines Brustkorbes unter dem Hemd fühlen konnte. Das Kleidungsstück
fühlte sich seltsam
Weitere Kostenlose Bücher