Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
überleben.«
Kapitel II
Ich hatte mich
wieder in mein altes Zimmer zurückgezogen, ein weiterer vertrauter Ort, den ich
lieber gemieden hätte. Dort saß ich nun bereits seit einer guten halben Stunde,
absolut reglos und mit untergeschlagenen Beinen, den Blick starr aus dem
Fenster gerichtet. Ich wusste, dass ich auf etwas ganz Bestimmtes wartete –
nein – dass Er auf etwas wartete. Nur worauf, blieb mir verborgen. Es
war kein angenehmes Gefühl, als Letzter zu erfahren, was man selbst in den
nächsten Minuten tun würde.
Denkst du etwa, für mich ist es angenehm, dir dauernd dabei zuhören zu
müssen, wie du in Selbstmitleid zerfließt? , wurde ich
urplötzlich angeschnauzt.
Niemand hat dich eingeladen, in meinen Gedanken herumzupfuschen, konterte ich. Und ich rate dir, die Finger von Kiro zu lassen. Wenn
du ihm auch nur ein Haar krümmst …
Was, dann? , kam die spöttische Antwort. Schlägst
du mit dem Schädel gegen die Wand? Das würde ich nur zu gerne sehen.
Wir müssen das hier nicht mit Gewalt erzwingen ,
schlug ich einen etwas ruhigeren Ton an. Hansen war weiß wie Kalk, als er
die Nachrichten hörte, er war ehrlich betroffen. Wenn wir ihm einfach die
Wahrheit sagen, wird er uns seine Hilfe nicht verwehren.
Natürlich, er wird eines der mächtigsten Bücher der Welt freiwillig in
die Hände eines dunklen Magiers legen, mit dem er obendrein noch eine Rechnung
zu begleichen hat , antwortete Er ironisch .
Aber …
Still jetzt. Es wird Zeit, in Aktion zu treten.
Mit
einer eleganten Bewegung ließ ich mich von der Bettkante gleiten und schob
mich, lautlos wie ein Dieb, an der cremefarbenen Wand entlang. Auf diese Weise
verließ ich mein Zimmer und trat auf den Gang hinaus.
Was hast du vor? Mein Magen verkrampfte sich
vor Angst und Sorge.
Sieh zu und lerne.
Erregte
Stimmen drangen an mein Ohr, ein neuerlicher Streit, der zwischen Hansen und
Kiro entflammt war. Im Gegensatz zu mir waren sie im Wohnzimmer geblieben, um
über unsere Situation zu diskutieren, während ich mich unter dem Vorwand,
vollkommen erschöpft und zum Umfallen müde zu sein, entschuldigt hatte.
Der
Streit, der aus der halb geöffneten Wohnzimmertür in den Flur drang, wurde
zusehends energischer. Es war schwer festzustellen, wer ihn dominierte, denn
beide Männer brüllten so lautstark und rücksichtslos durcheinander, dass ihre
Worte fast zur Unkenntlichkeit verzerrt wurden. Ich machte mir jedoch keine
Sorgen um die beiden, trotz ihres aggressiven Wortwechsels. Was bei anderen ein
deutliches Anzeichen der nahenden Veränderung gewesen wäre, war bei diesem
ungleichen Pärchen nichts als Alltag.
Ich
musste nicht lange warten, bis die Tür mit einem heftigen Ruck vollends
aufgestoßen wurde und Kiro, mit vor Zorn glühenden Augen, aber überraschend
beherrschten Gesichtszügen, auf den Gang hinausstürmte. Wahrscheinlich wäre er
schnurstracks an mir vorbeigerannt, ohne mich auch nur zu registrieren, hätte
ich ihn nicht rasch an der Schulter ergriffen, als er mich passieren wollte.
Kiro
zuckte erschrocken zusammen und wirbelte mit einem unterdrückten Aufschrei auf
den Lippen zu mir herum. Als er mich erkannte, machte er einen weiteren, beinahe
noch heftigeren Satz zur Seite, mit dem Schrecken eines Ertappten auf den Zügen.
»Laura!«, stieß er hervor.
»Entschuldige«,
sagte ich mit leiser, auf nicht zu beschreibende Art sinnlich klingender
Stimme, von der ich nicht einmal gewusst hatte, dass ich sie besaß. »Ich wollte
dich nicht erschrecken.«
»Das
hast du nicht«, behauptete Kiro und zwang sich zu einem unsicheren Lächeln.
»Ich war nur etwas … überrascht.«
Ich
erwiderte das Lächeln halbherzig, doch nur für eine Sekunde, dann verschwand es
wie fortgewischt und machte einem tiefen Ernst Platz. »Ich muss mit dir reden,
Kiro«, sagte ich mit verschwörerisch gesenkter Stimme. »Allein. Aber nicht
hier.«
Lass ihn in Ruhe! , versuchte ich es ein
letztes Mal verzweifelt. Bitte!
Der Junge scheint dir wohl doch noch etwas zu bedeuten , gab der Reiter gehässig zurück. G lücklicherweise ist der Erfolg
unserer Mission nicht von deinen lächerlichen Gefühlen abhängig.
Kiro
wirkte ein wenig verwundert, deutete aber ein Nicken an und folgte mir auf mein
Zimmer. Ich bot Kiro stumm den einzigen Stuhl an und setzte mich ihm gegenüber
auf die Bettkante meiner unberührten Schlafstatt. Die Bücher und Notizen,
Kopien und Schriftstücke, die ich bei meinem letzten Aufenthalt über die
gesamte Matratze
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