Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Hand zitterte, als er sie
nach mir ausstreckte und mir den Arm um die Schulter legte, eine sanfte und
doch hilfesuchende Berührung, die mir schier das Herz zerriss. Er suchte Schutz
bei dem einzigen Menschen, dem er sich anvertrauen konnte.
Zumindest
glaubte er das.
Warum? , fragte ich ins Nichts. Bei Gott,
warum musste er sterben?
Ein bedauernswerter Unfall , antwortete der
Reiter gleichgültig. Die Veränderung ist in uns allen, das weißt du. Wir
sollten uns von diesem Zwischenfall nicht vom Wesentlichen ablenken lassen.
Du hast es mit Absicht provoziert, beharrte
ich. Elendiger Mörder! Ich war bereit, mit dir zusammenzuarbeiten, aber
nicht, meine Freunde von dir abschlachten zu lassen!
Ah, ich habe geahnt, dass du noch zu weich bist! , kam die verächtliche Antwort. Es war gut, dich nicht allein
loszuschicken.
Diese
Worte steigerten die Wut und Verzweiflung in mir noch. Ich bäumte mich auf,
stemmte mich gegen die Fesseln um meinen seelischen Körper. Vor Anstrengung
verschwamm das Bild vor meinen Augen, aber ich wagte es nicht, nachzulassen.
Mein
fremdgesteuerter Körper legte indessen Kiro seinerseits einen Arm um die Hüfte,
um ihn ein Stück näher an mich heranzuziehen. Die Geste war das genaue
Gegenteil von der seinen zuvor, hart und besitzergreifend. Als ich ihm ins
Gesicht blickte, sah ich Tränen des Schmerzes und der Reue in seinen Augen
schimmern. Wie ein kleines Kind presste er sich an mich und vergrub das Gesicht
in meiner Schulter, ohne einen Laut von sich zu geben.
»Es
war nicht deine Schuld«, hauchte ich, während ich mit Kiros langem, hellem Haar
spielte. »Er hat uns angegriffen. Du musstest dich zur Wehr setzen, sonst hätte
er uns getötet.« Ich schwieg einen Moment, dann fragte ich mit vor Ungeduld
bebender Stimme: »Was ist nun mit dem Buch?«
Zuerst
reagierte er gar nicht auf meine Frage. Erst nach einer Weile löste er sich von
mir und starrte mich aus glasigen Augen an. »Was … was hast du gesagt?«, fragte
er mit belegter Stimme.
Ich
schluckte hart. Plötzlich fiel es mir unendlich schwer, zu sprechen. Nur sehr
mühsam entrangen sich meiner Kehle die nächsten Worte. »Das Buch, Kiro. Wo ist
es?«
Wieder
verstrichen einige Sekunden. »Das … das ist nicht dein Ernst«, murmelte Kiro
fassungslos. »Wie kannst du in diesem Augenblick an dieses Buch denken? Hansen
ist tot, Laura!«
»Bewusstlos«,
korrigierte ich Kiro und lächelte eisig. Ich wusste nicht, ob das stimmte,
hoffte es aber inständig. »Leider scheinst du doch mehr Hemmungen zu haben, als
dir selbst bewusst ist. Du hast nicht fest genug zugeschlagen.«
Kiros
Blick wanderte unsicher zu der reglosen Gestalt zu seinen Füßen und saugte sich
dann geradezu an meinem Gesicht fest. »Warum sagst du so etwas?«, stieß er
hervor, der Verzweiflung nahe. Er war noch ein paar Schritte vor mir
zurückgewichen, und Furcht färbte seine Augen noch dunkler.
»Was
soll ich denn sagen?«, erwiderte ich verwundert. »Dass ich überglücklich
darüber bin, dass unser aller Freund mit dem Leben davongekommen ist?« Ich
lachte kurz und hart auf. »Ich wünsche mir seinen Tod nicht, aber sollte er
eines Tages eintreffen, werde ich die Letzte sein, die den Arzt betrauert.« Meine
Miene gefror, und als ich weitersprach, tat ich es in hartem, befehlendem Tonfall.
»Wo ist das Buch?«
Die
Zeit rann Ihm wie feiner Sand
durch die Finger. Ich konnte deutlich spüren, wie Ihm die Kontrolle über meinen Körper entglitt. Obwohl es unsägliche Schmerzen
für mich bedeutete, stemmte ich mich immer heftiger gegen Seinen Einfluss, versuchte mit aller Macht, die Ketten, die um meinen Geist lagen, zu
sprengen.
Und
sie lockerten sich, kaum merkbar, aber doch.
Du elendige Närrin wirst noch alles kaputt machen! , tobte Er .
Kiros
Augen weiteten sich vor Schreck. »Hansen hatte recht«, keuchte er. »Laura, sie …
sie … Du bist es nicht.« Und dann noch mal, lauter und energischer: » Du bist es nicht! «
Ich
verzog die Lippen zu einem gequälten Lächeln und streckte die Hand nach Kiro
aus, doch dieser wich mit einem atemlosen Schrei vor mir zurück, als bedrohte
ich ihn mit einer Waffe.
»Nein!«,
stieß er hervor. »Rühr mich nicht an!«
»Aber
Kiro«, sagte ich. Die Worte klangen übermäßig betont und schleppend, wie das
Lallen eines Betrunkenen, der angestrengt nüchtern zu wirken versucht. »Das ist
doch Unsinn. Wer sollte ich anderes sein als die Frau, als die du mich kennengelernt
hast und die du liebst? Du bist verwirrt,
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