Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
kalt an, zumindest erschien es mir so, bis ich begriff,
dass es meine Hände waren, aus denen jede Wärme gewichen war.
Meine
Finger wanderten weiter, unter den Stoff. Kiro erschauderte, vielleicht vor
Erregung, vielleicht, weil die niedrige Temperatur meiner Haut ihn frösteln
ließ. Meine Lippen tasteten über seine Wange, sein Haar. Ich fragte mich, ob
mein Atem sich ebenso eisig anfühlte wie meine Hände.
Übergangslos
riss ich Kiro an mich und presste meine Lippen auf die seinen, in einem langen,
leidenschaftlichen Kuss. Zuerst wehrte er sich noch dagegen, als spürte er,
dass etwas daran falsch war, aber wirklich nur für einen Augenblick. Dann ergab
er sich gänzlich in meine Berührungen und umfasste mein Gesicht mit bebenden Händen,
um es festzuhalten. Seine Lippen öffneten sich leicht, ließen mich allzu bereitwillig
ein. Unsere Zungen trafen sich, umgarnten einander. Meine eigene erschien mir
dabei gefühllos und kalt wie ein Stück Eisen.
Mit
einem Ächzen löste ich meinen Mund von seinem und entzog mich seinem Griff,
aber nur, um mit Händen und Lippen an seinem Körper hinabzuwandern. Auf diese
Weise erforschte ich seinen Hals, sein Schlüsselbein, seine halb entblößte
Brust. Über mir stieß Kiro ein ersticktes Stöhnen aus.
»Ich
helfe dir«, sagte er mühsam. »Ich tue alles, alles , was du willst, aber geh
nicht wieder fort, Laura. Nie wieder.«
Nein! , brüllte mein Geist aus Leibeskräften. NEIN!!! Nicht so, nicht um diesen Preis! Mein
Körper schwieg.
Ich
sah zu Kiro hoch. Längst war ich von der Bettkante heruntergeglitten und auf
den Boden gesunken, wo ich nun Kiros Knie umklammerte.
»Ich
bleibe bei dir«, sagte ich leise, plötzlich wieder mit einer Stimme, die Feuer
zum Erstarren gebracht hätte, »das verspreche ich dir. Wenn du mir auch etwas
versprichst. Wirst du mir das Buch holen, Kiro?«
»Ich
würde dir den Mond vom Himmel holen, würdest du es verlangen«, ächzte Kiro, und
die Tür des Zimmers sprang so heftig auf, dass sie krachend gegen die Wand
prallte und wieder ein Stück zurückgeworfen wurde. Im nächsten Moment stand
Hansen vor uns, die Hände in die Hüften gestemmt, das Gesicht hektisch gerötet.
»Was
geht hier vor?« Die Stimme des Arztes brodelte förmlich vor Wut.
Erschrocken
fuhr Kiro von seinem Stuhl hoch. Auch ich stand auf, wenn auch weit langsamer
und gelassener.
Hansen
schien die Situation augenblicklich richtig zu erfassen. Sein Blick verdunkelte
sich noch weiter.
»Ich
wusste es!«, polterte er, den Finger anklagend auf mich gerichtet, als wollte
er mich auf diese Weise aufspießen. »Man darf dieser Hexe nicht über den Weg
trauen, keine Sekunde lang! Das hatte sie von Anfang an geplant, diese Circe!«
»Aber
wir haben doch nur …«, setzte Kiro an, doch Hansen ließ ihn gar nicht zu Wort
kommen.
»Bitte
erspar mir die Einzelheiten«, sagte er scharf. »Ich kann mir sehr lebhaft
vorstellen, was ihr doch nur getan habt .« Seine Augen ruhten für einen Moment vorwurfsvoll auf Kiros halb
freigelegtem Oberkörper, bevor sie sich in die des jungen Mannes bohrten. »Ich
habe es dir prophezeit, aber du wolltest ja nicht auf mich hören. Du wusstest
es natürlich besser. Aber ich hatte recht! Sie hat dich nur benutzt, die ganze
Zeit über! Du warst nur ein Werkzeug für sie, ein Mittel zum Zweck, aber in
Wahrheit steht sie auf Seiner Seite und schmiedet gemeinsam mit Ihm Pläne über unsere Vernichtung!«
Ja! , dachte ich verzweifelt. Ja, ja, ja!
»Haltlose
Anschuldigungen!«, stieß Kiro wütend hervor, während er sich hastig das Hemd
zurechtrückte. Seine Worte klangen wie das Kläffen eines gereizten Hundes, den
man in die Enge getrieben hatte. »Ihre Paranoia hat ja schon krankhafte Ausmaße
erreicht! Haben Sie auch nur einen einzigen Beweis für diese wilden
Behauptungen? Nur einen?«
»Du
selbst bist der beste Beweis für ihre perfiden Absichten«, zischte Hansen.
»Sieh dich doch nur einmal an! Sie macht dich zu ihrem Schoßhündchen, ihrem
Diener, der ihr jeden Wunsch von den Augen abliest, und du lässt es auch noch
willenlos mit dir geschehen, so groß ist ihr Einfluss bereits!«
»Ich
liebe sie«, sagte Kiro mühsam beherrscht. Seine Augen funkelten gefährlich. »Ich
liebe sie«, wiederholte er, jedes einzelne Wort betonend, »und das ist der
einzige Einfluss, den Laura auf mich ausübt.«
»Das
ist dein Fehler«, sagte Hansen eindringlich. »Du liebst sie, aber sie liebt
dich nicht. Mach endlich die Augen auf, bevor es zu spät
Weitere Kostenlose Bücher