Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
mein tapferer Held. Komm zu mir. Ich
werde dich das Grausen des Kampfes vergessen lassen.«
Den
letzten Satz unterstrich ich mit einem neuerlichen Schritt in Kiros Richtung. Dieser
verharrte unnatürlich steif, als ich beide Hände auf seine Brust legte und meinen
Kopf sanft an seine Schulter lehnte.
»Wir
gehören zusammen«, murmelte ich in sein Hemd. »Lass dich nicht von diesem
verbitterten, alten Mann beeinflussen. Ich brauche dich doch. Und du brauchst
mich auch.«
»Nein«,
krächzte Kiro. Dann schrie er plötzlich wie unter Schmerzen auf und stieß mich
von sich, so heftig, dass ich das Gleichgewicht verlor und rücklings zu Boden
fiel.
»Lass
mich in Frieden!«, schrie er. Panik schwang in seiner Stimme mit. »Ich hätte
ahnen müssen, dass es zu perfekt war, um real zu sein! Ich weiß nicht, wer oder
was du bist, aber du bist ganz sicher nicht die, die ich liebe!«
Der
überraschende Sturz war das Ablenkungsmanöver, das mein gefangener Geist
benötigt hatte. Ein dumpfer Schmerz zuckte durch meine Schläfen, als ich die
Ketten noch weiter auseinander zwang. Mit einem Schmerzensschrei presste ich – ich! – die Hand gegen die Stirn und schüttelte
heftig den Kopf, wie um das fremde Wesen darin zu vertreiben. Doch es klammerte
sich mit aller Kraft an meine Gedanken, saß in meiner Seele wie glühendes Eisen
und brannte sich tief hinein.
» Das
Buch! «, schrie Er durch mich mit sich
überschlagender Stimme. Die Worte schienen meine Kehle zu verätzen. »Du verdammte
Närrin, wir brauchen das Buch! «
Zitternd
richtete ich mich auf. Mein Blick irrte durch das Zimmer, suchte wie wild nach
etwas, an dem er sich festhalten konnte. Das Bild vor meinen Netzhäuten zerfloss,
der Druck hinter meiner Stirn stieg ins Unermessliche.
»Wo
ist es?«, presste ich hervor. » Wo? «
Kiro
antwortete nicht, doch er hatte sich nicht genug in der Gewalt, um einen
raschen Blick aus den Augenwinkeln in Richtung des Ganges zu unterdrücken. Obwohl
seine Unachtsamkeit nur wenige Sekundenbruchteile gedauert hatte, war es doch
zu lange für meine von Magie geschärften Sinne gewesen. Plötzlich wusste ich,
wo Hansen das Buch vor mir zu verstecken versucht hatte – und Er bediente sich dieser neuen Information schamlos.
Mit
einem spitzen Schrei stieß ich Kiro beiseite, der gedankenschnell versucht
hatte, mir den Weg zu versperren, setzte mit einem Sprung über den noch immer reglosen
Arzt zu meinen Füßen hinweg und stürmte wie von Furien gehetzt aus dem Zimmer.
Hinter mir schlug ich die Tür zu, um den Abstand zwischen Kiro und mir zu
vergrößern. Ich legte den Weg durch den Gang in Rekordgeschwindigkeit zurück
und sprengte die Tür zum Wohnzimmer mit der Schulter auf. Jeder einzelne Nerv
in meinem Körper schien in Flammen zu stehen. Ich wusste nicht mehr, wer ich
war und zu wem oder was ich stand. Nur noch ein Gedanke pulsierte wie ein
riesiges, schwarzes Herz in meinem Bewusstsein, so deutlich und klar, dass es
mir erschien wie blanker Hohn: das Buch .
Schwer
atmend blieb ich stehen, nur noch eine knappe Armeslänge von meinem Ziel
entfernt, das mir doch so unerreichbar fern erschien. Es war das Gemälde.
Natürlich war es das Gemälde, dieser gewaltige Sitz von Licht und Schatten, den
ich vom ersten Moment an als so faszinierend empfunden hatte. Dieses Versteck
war so simpel, so offensichtlich, dass ich mich ernsthaft fragte, warum ich nicht
sofort darauf gekommen war.
Mit
heftig zitternden Fingern riss ich die gewaltige Malerei von der Wand und ließ
sie rücksichtslos zu Boden fallen. Dahinter kam nicht etwa nackte Wand zum
Vorschein, wie man vermuten mochte, sondern genau das, was ich, wenn schon
nicht erwartet, so zumindest erhofft hatte: ein Safe aus massivem Stahl, den
jemand ins Mauerwerk eingelassen hatte.
Daran,
was er enthielt, konnte es für mich keinen Zweifel geben.
Ich
streckte die Hand nach der Tür aus, zog sie jedoch beinahe augenblicklich mit
einem Schmerzensschrei wieder zurück. Das Metall war so glühend heiß, dass die
Haut auf meinen Fingerkuppen Blasen geschlagen hatte.
Taschenspielertricks werden diesem Quacksalber auch nicht mehr helfen! , zischte es in mir. Sein Schutzzauber ist erbärmlich!
Eine
unbändige Macht wallte in mir empor, und ruckartig legte ich beide Handflächen
auf die Safetür. Ich brüllte vor Schmerz, das zischende Geräusch von rohem Fleisch,
das den Boden einer heißen Pfanne berührt, ertönte, doch ich ließ nicht los.
Mit
bloßem Willen kühlte ich das
Weitere Kostenlose Bücher